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Was soll eigentlich Bildung?
,,Jeder hat die Möglichkeit zum Aufstieg durch Bildung. Jeder Jugendliche wird gebraucht, nicht nur aus ökonomischer Sicht, sondern als Bereicherung der Gesellschaft. Das sind die beiden zentralen Sätze.“
Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU), Passauer Neue Presse, 13. Juni 2008.
Die Jugend wird gebraucht: für die private Wirtschaft und für die Gesellschaft, die von ihr dominiert ist. Frau Ministerin, wir danken!
Auch die Konservativen haben nun das reformpolitische Motto ,,Bildung für Alle“ für sich entdeckt. Allerdings unter den eindeutigen Vorzeichen des ,,Standorts“. Hier soll gelernt werden, was nicht gern gelernt wird: kreatives, eigenverantwortliches, sozial kompetentes, engagiertes, leistungswilliges Dienen. Für den Standort, mit Karriere und Konsum.
In diesem Geiste sind die neoliberalen Bildungsreformen vollzogen worden: Sie haben uns Studiengebühren, ein einschränkendes Studium (BA/MA), den Abbau von Demokratie und den Verlust solidarischer studentischer Kultur gebracht. Daß dies eine sehr weitgehende Zerstörung ist, hat nun auch der Deutsche Wissenschaftsrat erkannt, der insbesondere für Studium und Lehre 1,1 Milliarden Euro Mehrausgaben für alle deutschen Hochschulen verlangt. Besorgniserregend seien die hohen Abbrecherquoten, der Qualitätsverlust in der Lehre sowie die Freiheit der Lehrenden von didaktischen Kenntnissen. Kein Wunder, solange Prüfungen und Kennzahlen das Leben der Lerngemeinschaft dominieren.
Also auch von konservativer Seite gelten Korrekturen als angebracht. (Auch die geplante Senkung der Studiengebühren in Hamburg ist so gemeint.) Nach einer besonders drückenden Zeit, sollte aber Erleichterung nicht weiterreichende, vernünftige Ansprüche verdrängen:
Bildung und Wissenschaft haben den Sinn aufklärend einzugreifen, einen Beitrag zur Erleichterung aller menschlichen Mühsal zu leisten. Bildung und Kultur sollten ein Motor einer solidarischen Lebensweise sein, die insgesamt die Zivilisierung der Gesellschaft fördert. Das ist auch der eigentliche Sinn und Zweck von ,,Universität“. Die Einheit von Forschen, Lehren, Lernen und Selbstverwaltung bzw. Interessenvertretung sollte mit diesem Inhalt für eine allgemein nützliche Entwicklung wieder erstritten werden. Lernen muß nicht aufreibend sein.
,,Immer wieder wurden wir zurückgeworfen, weil unser Vermögen des Denkens, des Kombinierens und Folgerns noch nicht genügend entwickelt war. Der Beginn einer Veränderung dieses Zustands lag in der Einsicht, daß sich die Hauptkraft der oberen Klassen gegen unsern Wissensdrang richtete. [...] Unser Studium war von Anfang an Auflehnung.“
Peter Weiß, ,,Die Ästhetik des Widerstands“, Frankfurt am
Main: 1975, 1978, 1981.