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„STiNE ist für sie da!“
„Das ist die sogenannte »Studienfortschrittskontrolle«. ... Und wir haben hier - ich geh einfach mal nur, auch wenn Sie das nicht lesen können: ist nicht so wild, auf die roten, grünen und gelben Balken ein - das ist die individualisierte Sicht eines Studenten auf seinen Studienfortschritt. Grün, das hat er bereits passiert, also dort hat er eine Prüfung erfolgreich abgelegt. Gelb ist er im Zeitlimit, »on track« würden wir sagen, also er ist in seiner Zeitachse unterwegs. Rot, das muß er noch nachholen. ... Also, Sie sehen, hier sind mindestens drei oder vier verschiedene Applikationen über Web-Parts anprogrammiert worden, um zu so einer intelligenten, integrierten Sicht auf seinen Studienfortschritt zu kommen.“
„Hochschulportale für eine effiziente Zusammenarbeit“, Swantje Rosenbohm-Lehmann, Microsoft Education Managerin auf dem Campus Innovation Kongreß am 12. September 2007.
„Bildung mündiger Menschen: Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage.“
Aus dem Leitbild der Universität Hamburg
Es bleibt dabei: Das „Studien-Info-Netz“ STiNE ist ein übles Hindernis für die Entfaltung aller an der Universität Hamburg Tätigen und gehört wieder abgeschafft. Wo die Hochschule ein Ort reflektierter und entwicklungsorientierter Kooperation, demokratischen Streits und kritisch-analytischen Gesellschaftsbezugs sein müßte, da werden die Hochschulmitglieder statt dessen zu Anhängseln einer Maschine degradiert. Das System stellt fest, wer an überfüllten Lehrveranstaltungen teilnehmen darf, dokumentiert, welche Prüfungen die Studierenden abgeleistet haben und wo sie versagt haben. Wer glaubt, er sei der Gängelei der Schule endlich entwachsen, sieht sich plötzlich mit dem automatisch erstellten individuellen Stundenplan konfrontiert.
Nur so lassen sich die rigiden neuen Studienordnungen der Bachelor/Master-Studiengänge wie vom rechten Senat und seinem Wissenschafts„manager“ Dräger verordnet durchsetzen. Denn wo deren unvernünftige und wirklichkeitsferne Selektions- und Dressurmechanismen in der tradierten Kooperation zwischen Studierenden, Lehrenden und Verwaltung bisher immer wieder provisorisch ausgeglichen und unterlaufen wurden, kennt STiNE in roher Ignoranz für alle menschlichen Entwicklungsanliegen seiner Natur gemäß nur 0 oder 1, hop oder top, drin oder draußen. Was eine Dominanz dieser Technokratie für das alltagspraktische Niveau der Verständigung bedeutet, ist am Marketing-Gebrabbel der Microsoft Managerin Rosenbohm-Lehmann auf dem Campus Innovation Kongreß ablesbar (s.o.).
Wem nützt es? Im Regierungsprogramm „Wachsende Stadt“ des CDU-Senates spielen die Hochschulen eine entscheidende Rolle für die Zurichtung der Stadt auf die Interessen der in Hamburg ansässigen Großunternehmen. Im Dienste der zukünftigen Arbeitgeber sollen die Universitäten ein Heer halbwissenschaftlich qualifizierter Sachbearbeiter sowie eine Elite besonders dienstbarer Offiziersanwärter produzieren. Die Maschine soll Maschinchen schaffen.
Für die Hochschulmitglieder kann das nur heißen: sich von diesem System nicht in Hetze und Vereinzelung treiben zu lassen, nicht nur bei Problemen (da sowieso) das Gespräch mit Studierenden, Lehrenden und Uni-Verwaltung zu suchen, und sich an den hochschulpolitischen Kämpfen zu beteiligen, um die Restriktionen des Wissenschaftsalltags zu beseitigen und ein wirklich produktives Studium und Leben zu erstreiten. (Allen Erstsemestern sei im übrigen dringend empfohlen, ihre Anträge auf Befreiung von Studiengebühren nicht ausschließlich über STiNE, sonder auch schriftlich zu begründen.)