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Vernunft oder Kommando?
"Leider hält die staatliche Finanzierung der Universitäten schon lange nicht mehr mit dem Zustrom von Studierenden Schritt. Inzwischen hat man erkannt, dass zur Verbesserung der Studienbedingungen und zur Erreichung von Exzellenz in der Forschung ein erheblicher zusätzlicher Finanzbedarf erforderlich ist. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat daher beschlossen, zur Verbesserung der Studienbedingungen Studiengebühren einzuführen."
Uni-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz in ihrer Antrittsrede am 1. Februar 2007.
"In Spanien gründete sich einmal ein Tierschutzverein, der brauchte nötig Geld. Da veranstaltete er für seine Kassen einen großen Stierkampf."
Kurt Tucholsky, "Schnipsel", 1932.
Die Universität sei im wesentlichen ein lebendiger Ort gesellschaftlicher Aufklärung.
Gegen diese progressive Funktion steht ihre politisch gewollte Zurichtung nach den nimmersatten Bedürfnissen einer privaten Ökonomie. Diese Zurichtung der Lernenden ist mit Studiengebühren beabsichtigt.
Auf dieser Linie handelt die neue Uni-Präsidentin. Sie begreift Universität als "Wirtschaftsfaktor" und sieht keinen Bedarf an (wissenschaftlicher) Kritik ökonomischer und gesamtgesellschaftlicher Entwicklung. Ganz Konservative unter Konservativen, will sie sich an der Durchsetzung des Handelskammerdrucks und politischen Zumutungen des CDU-Senats beweisen. Der Akademische Senat (AS) soll zur Abnick- und "Multiplikatoren"-Runde degradiert werden. Unterstützung hat sie in der "Kanzlerin", Frau Vernau: "Welche Bedeutung und Aufgaben des TVPs (Technisches und Verwaltungspersonal) sehen Sie jenseits der >puren< Dienstleistung?" - "Keine." Antenne geerdet, aus.
An welchem Ort befinden wir uns?
Nein, wir sind nicht bei Hofe, auch nicht auf dem Kasernenhof oder in der Montagehalle (wahlweise im Call-Center). Ebenso sind Studiengebühren kein Sachzwang. Der neue "Führungsstil" löste im AS verärgertes Erstaunen aus. Konformität, Kommando und Konservatismus vertiefen die Krise der Universität und mehren ihre gesellschaftliche Relevanz nicht. Kontrovers wurde also im AS debattiert; die Studiengebühren standen dabei im Zentrum. Kritisiert wurde, daß allgemeinbildende und emanzipatorische Inhalte in Studium und Forschung Allen mittels dieser unsozialen Knute ausgetrieben werden sollen. Wert sei damit nur, was sich kaufen läßt und wer kaufen kann. Schon jetzt kostet daher die Gebühreneinführung Zeit, Nerven und Geld. Die Löcher der öffentlichen Kassen werden nicht gestopft, aber erfahrungsgemäß sollen die Gebühreneinnahmen bald staatliche Mittel ersetzen. Der AS hat dagegen seine Gebührenablehnung erneuert und für ein faires und transparentes Befreiungsverfahren votiert. (Beschluß umseitig.)
Noch immer unzureichend ist allerdings, daß das Gremium mehrheitlich einer systematischen Analyse und Bewältigung der Universitätskrise ausweicht: Erforderlich ist vor allem die kritische Bilanz der gängelnden Bachelor-Einführung und die politisch-wissenschaftliche Erarbeitung einer universitären Strategie für die Überwindung der permanenten Unterfinanzierung. Nötig ist dafür auch - im Widerspruch zur betrieblichen Zergliederung der Universität - eine kooperative Kultur der demokratischen Erörterung der universitären Lage, ihrer Entwicklungsperspektive und Konflikte. Der kritische Blick in die (eigene) Geschichte ist erforderlich für die vernünftige Gestaltung der Zukunft. Echte gesellschaftliche Problemlösung sollte Priorität in Studium, Lehre, Forschung und Selbstverwaltung erhalten. Eine zivile Entwicklung bildet den Kern vernünftigen Handelns.
Wir setzen weiter auf Programm, Argument und Vernunft.
Leben heißt: lernen. Wirklich.
Offener Brief an die Präsidentin vom 15. Februar 2007
Beschluß des Akademischen Senats gegen Studiengebühren vom 8. Februar 2007