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Ba/Ma: Für solidarische Formierung gegen den Murks
„»Die Logik des ‚Durchstudierens' greift nicht mehr«, sagt Barbara Michalk von der Hochschulrektorenkonferenz dazu. Der Bachelor sei schon für sich genommen berufsqualifizierend, der Master ein daran anschließendes zusätzliches Studium, für das bewusst weniger Plätze zur Verfügung stünden.“
Julia Trauthig, „Nur die Note zählt“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.09.2010.
„Ich möchte Student sein, um mir einmal anhand einer Wissenschaft langsam klarzumachen, wie das so ist im menschlichen Leben.“
Kurt Tucholsky, „Ich möchte Student sein“, 1929.
Die Bologna-Deformation der Universitäten ist eine Maßnahme, die die inhaltliche Verarmung der wissenschaftlichen Bildung und eintöniges „akademisches“ Training für den Arbeitsmarkt mit empfindlichen Sparmaßnahmen an den Hochschulen verbunden hat. Die Studierendenzahlen sind in Folge dessen gesunken. Zu diesem Semester sind an der Uni Hamburg von 5.773 Master- Bewerbungen nur 2.625 zugelassen worden, nur 1.349 der BewerberInnen hatten ihren Bachelor in Hamburg gemacht. Damit kann man davon ausgehen, daß es weit weniger als die Hälfte der Studierenden, die ein Bachelorstudium aufnehmen, wirklich in den Master schafft. Die privat-wirtschaftlich gewollte und von neokonservativer Seite forcierte Trennung von akademisch qualifizierter Facharbeiter-Masse und einer sogenannten Elite ist damit Tatsache geworden. Viele Studierende kapitulieren schon vor dem Bachelor-Abschluß.
Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß die Masterzulassung als ein Engpaß wirkt, vor dem kräftig die Ellenbogen ausgefahren und - mit beliebigen Mitteln - gute Noten erworben werden sollen. Der Druck konkurrenzhaft und nach Opportunität zu studieren ist gewaltig und eine wesentliche Ursache für die Dekultivierung der Universität.
Hinter der strikten Notenvergabe und Auslese steht das ökonomische Interesse, leichte Bewertungsmerkmale für die Auswahl künftiger Arbeitskräfte im hierarchisch wertenden Vergleich zu finden. Da dies allerdings oft zu Oberflächlichkeit und Täuschungen führt, werden problemverschärfend zunehmend unternehmerische Auswahlverfahren („Assessment“) zusätzlich und kostenpflichtig vor die Masterzulassung gestellt.
Damit sind die Universitäten voll integriert in ein gesellschaftliches System, das die Möglichkeiten solidarischer Entfaltung der Persönlichkeit und kritischer Weltaneignung unter dem Druck der gewinnbringenden Verwertung verneint.
Sie müßten aber Orte der humanistischen Erweiterung der Lebensperspektiven aller sein. Die erniedrigende Bologna- Praxis ist dafür nur durch offene Problematisierung, solidarisches Eingreifen und analytische Kritik des gescheiterten Ba/Ma-Studiensystems zu überwinden. Kooperatives Lernen und Forschen brauchen gänzlich andere Bedingungen. Insbesondere die Abschaffung der willkürlich diktierten Regelstudienzeiten, mit denen alle möglichst schnell aus der Lernrepublik Universität herausgespült werden sollen, das Ende der menschenverachtenden Trennung in Masse (Bachelor) und Elite (Master), die freie Wahl von Lehrveranstaltungen und kritik- und solidaritätsfördernden Lernformen müssen neu erstritten werden. Dafür ist auch der Kampf gegen die Unterfinanzierung der Universität unverzichtbar.
Der erste Weg, sich dafür zu engagieren, ist meist der Fachschaftsrat, sind progressive Hochschulgruppen und die Beteiligung an den Protesten der Verfaßten Studierendenschaft. Studierende, die sich anteilnehmend und gesellschaftskritisch verständigen und in Bewegung kommen, sind ein bedeutsamer Faktor für humanistischen Fortschritt. Von diesen Möglichkeiten kann und sollte nun mit neuer Entschlossenheit Gebrauch gemacht werden.