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Kommando: Zurück!

Senatspolitik für „Weltgeltung“

„Sogar unsre vornehmen Industrieritter sind nicht bloße Egoisten, die nur für sich stehlen, sondern sie wollen den
schnöden Mammon erwerben, um Gutes zu tun; in den Freistunden, wo sie nicht von ihren Berufsgeschäften, z.B.
von der Direktion einer Gasbeleuchtung der böhmischen Wälder, in Anspruch genommen werden, beschützen sie
Pianisten und Journalisten, und unter der bunt gestickten, in allen Farben der Iris schillernden Weste trägt mancher
auch ein Herz, und in dem Herzen den nagenden Bandwurm des Weltschmerzes.“

Heinrich Heine, „Geständnisse“, 1854.

Wenn Konservative „Kultur“ machen, muß dringend gelüftet werden.

Die CDU-Regierung in Hamburg ist bei weitem nicht so wahllos zerstörerisch in ihrer Kulturpolitik, wie es heute erscheinen mag. Da ist beispielsweise die aufwendige Gründung des Internationalen Maritimen Museums Hamburg (IMMH). Als die CDU mit der FDP und dem extrem rechten Ronald B. Schill regierte, war eine Bild- „Journalistin“, Dana Horakova, Senatorin für Kultur. Sie brachte das umstrittene Museum auf den Weg, für das die Freie und Hansestadt den Kaispeicher B aufwendig und teuer (30 Mio. Euro) verunstalten ließ. Darein durfte ihr ehemaliger Chef, der Springer-Manager Peter Tamm, auf 99 Jahre kostenfrei seine private Marine-Militaria- Sammlung verbringen, die zuvor seine Elbchaussee-Villa füllte. Nun wird das Sammelsurium gegen hohe Eintrittspreise kritikfrei den hingelenkten Touristen zur Schau gestellt. Schier unendlich sind Devotionalien der überseeischen, deutschen Weltpolitik, insbesondere der Kaiserzeit und der Nazi-Herrschaft, aneinandergereiht. Hier darf der verdutzte Besucher die Abschußerfolge der Unterseeflotte ebenso bestaunen wie koloniale Dekadenz und die Insignien höchster Militärs. Von einer kritischen Auseinandersetzung mit Krieg, Kolonialismus, der Mühsal der Arbeit in Hafen, Handel und Seefahrt, von ziviler Internationalität - keine Spur. Das nimmt nicht Wunder. „So schön der Totalfrieden wäre, ich glaube, er ist wider die Natur“, äußerte sich Peter Tamm, der auch im Berufsleben auf sehr nationale Weise geschäftstüchtig war. Die Zusammenstellung von romantischem Seefahrer-Schwulst, Militaria und Technik-Highlights verdeckt und verdreckt so ziemlich alle Zusammenhänge, Widersprüche und Alternativen der wirklichen „maritimen“ Geschichte mit einer Inszenierung der Schicksalhaftigkeit von Krieg. Sie soll die Besucher auf 18.000 qm in furchtsam passives Erstaunen versetzen. Auf daß Deutschland aus alten Weltmachtträumen neue Taten werden lasse.

Selbst wenn man also davon absähe, daß die reiche Stadt Hamburg alles andere als sparen muß, wenn der traditionellen Elbchaussee-Bevölkerung erkleckliche Steuern anstatt ihres historistischen Sondermülls abgenommen würden - wäre deutlich erkennbar, daß es kulturpolitische Alternativen zur Schließung z.B. des Altonaer Museums gäbe, die sehr zu bezweifelnde 3,5 Mio Euro für die nächsten zwei Jahre einbringen soll. Diese Stätte wiederum ist ein über 100 Jahre altes Haus, das sich seit seiner Gründung - trotz einiger „bodenständiger“ Ambivalenzen - hauptseitig um die Aufklärung über die realen Arbeits- und Lebensverhältnisse im Norden und das Lernen aus der Geschichte für Völkerverständigung bemüht. Bekannt ist es für sein aktualisiertes reformpädagogisches Konzept, das es zu einem Lernort auch und gerade für jene macht, die weit abseits vom Elbhang Stadt und Land bevölkern und wirklich bereichern. Der manipulative Unsinn der Senatspolitik, für Polizeiorchester und Kriegsmarineverherrlichung (immer botmäßig für die Export- und Rüstungsindustrie) und gegen sozialen und kulturellen Menschenverstand, sollte unbedingt beendet werden.

Eine kräftige Herbstbrise kann da überhaupt nicht schaden.

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V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Sonntag, den 10. Oktober 2010, http://www.harte--zeiten.de/artikel_982.html