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"Menschenführung" oder demokratische Entwicklung?
,,In Europa ist viel über den Krieg nachgedacht worden.
Die Engländer taten es vorher, die Franzosen während des Krieges, die Deutschen nachher.“
Kurt Tucholsky, ,,Nationales“, 1926.
Am Donnerstag fand im Audimax die Antrittsveranstaltung der seit 1969 ersten konservativen Präsidentin statt. Das Auditorium mit knapp 1000 Personen war angespannt. Die Ökonomisierung der Universität, der Rückfall hinter die demokratischen Reformen seit 1969 und die unkritische Öffnung zur Rüstungsforschung wird von den Uni-Mitgliedern mehrheitlich kritisch bewertet. Das war durch die Festredner nicht repräsentiert; vernünftige Positionen waren in Zwischenrufen und auf Spruchbändern präsent.
Mit einem Grußwort kennzeichnete Wissenschafts-Technokrat Jörg Dräger die neue Leitung als Gewinn an "exzellenter Führung". Die vom CDU-Senat forcierte Deform ("moderne Führungsstrukturen", "Leistungsbezahlung", "neue Studiengänge", "Studiengebühren") der demokratischen Massenhochschule würde sie, Frau Auweter-Kurtz, motiviert verfolgen. "Mit Gebühr und Zinsen / geht Freiheit in die Binsen", kennzeichneten dies Studierende auf einem Transparent.
Die Hochschulratsvorsitzende und ehemalige British-American-Tobacco-Managerin, Frau Doris André, betonte als Wesen der derzeitigen Hochschulpolitik die Steigerung der "Effizienz" für wirtschaftliche Konkurrenzvorteile im internationalen Standortwettbewerb. Wissenschaft für Humanität und Wahrheit macht sie nervös. "Hoppe hoppe Reiter / Gewinne steigen weiter."
Der Dekan der WiSo-Fakultät, Wolfgang Weber, sieht "Leistungsfähigkeit und Transparenz" in neuen hierarchischen Leitungsstrukturen gestärkt. Studiengebühren dienten der Verbesserung des Studiums. Es bedürfe aber weniger politischer Interventionen der Behörde. "Respekt" forderte er lautstark von den Studierenden, die ulkten: "Die Wirtschaft brummt, mein liebes Kind, / wenn alle Menschen artig sind."
Für die Personalräte kritisierte Wolfgang Sadofsky, die Zumutung der ökonomischen Instrumentalisierung der Hochschulen, die im Arbeitsalltag dazu führt, daß die Uni-Mitglieder nicht mehr als Menschen wahrgenommen, sondern herabwertend behandelt werden.
Der AStA-Vorsitzende Christian Höft hieß die Präsidentin untertänigst willkommen. Wegen der Proteste betonte er entschuldigend die Tradition kritischen Engagements an der Hamburger Uni. Er vermutete, die Präsidentin werde sich an das Uni-Leitbild halten (demokratische Entwicklung der Einrichtung und Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung). Er freue sich auf den sorgsamen gemeinsamen Umgang mit den Gebühreneinnahmen. (Seine AStA-Koalition wurde im Januar mehrheitlich abgewählt. Der AStA wird im April neu gebildet.) "Wer Ordnung liebt und Sauberkeit, / ist gern devot und stets bereit."
Hauptrednerin war die CDU-Bundesministerin Annette Schavan. Sie freue sich, daß die Präsidentin sich "als Frau" so weit durchgebissen habe. "Menschliche Führung" sei ihre besondere Qualität. Hightechforschung solle "Deutschland" in der internationalen Konkurrenz stärken. Völlig hohl ist ihr Bezug zu den Geisteswissenschaften. Die kritischen Studierenden brüllte sie fassungslos an: "Demokratie braucht Elite." "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" sind ihr kein Begriff. Ihre Offenheit war provoziert: "Das Schaf steht auf der Weide/Frau Wolf frißt vorher Kreide."
Die Präsidentin konnte nicht verhehlen, daß die neoliberale Neustrukturierung der Universität zu Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit und Wissenschaftlichkeit führt. Sie setze aber Hoffnungen in den Erfolg von BA/MA und Gebühren. Erhaltenswert sei die Einheit und Fächervielfalt der Uni. Die Vernetzung mit "der" Wirtschaft sei zu stärken. So trage die Universität gerne zur "Wachsende Stadt" des politischen Senats bei. Zu ihrer problematischen wissenschaftlichen Arbeit als Raketenforscherin nahm sie nicht Stellung. "Aufschlag, Spiel, Satz und Sieg / Raketen fliegen für den Frieden."
Die geplante Macht-Demonstration einer konservativen Abkehr von der Reformuniversität ist mißlungen. Die Trias "Deutschland"/"Führung"/"Leistung" gehört in die Mottenkiste. Ein Popanz ersetzt nicht die humane Perspektive demokratischer Wissenschaft.
Dem Publikum war mehrheitlich Unwohl ob des Gesagten. Die artikulierte Opposition zur herrschenden Politik fällt aber vielen noch schwer. Die falsche Zurückhaltung überspringend, ist unbeirrt für die soziale Öffnung, Demokratisierung und kritische Gesellschaftlichkeit der Universität zu wirken.
Gelebte Courage ist die Prämisse wegweisender Erkenntnis.