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Der Afghanistan-Krieg ist verloren. Der Frieden muß noch gewonnen werden.
„Das Ansehen ausländischer Soldaten ist laut einer Umfrage auf einen Tiefpunkt gefallen. Neun Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes stellen zwei Drittel der Bevölkerung den Verbündeten ein negatives Zeugnis aus. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage von ARD, ABC, BBC und Washington Post hervor. (...) Kritisch sehen die Afghanen auch die Arbeit internationaler Hilfsorganisationen, deren Tätigkeit bewerten nur 43 Prozent der Befragten insgesamt positiv. Nach neun Jahren Krieg setzen nahezu drei Viertel der Afghanen nicht mehr auf einen militärischen Sieg, sondern auf eine Verhandlungslösung, die auch eine Regierungsbeteiligung der Taliban einschließen würde. Deutliche Ablehnung gäbe es aber für ein Verhandlungsergebnis, daß ganze Provinzen unter die Kontrolle der Taliban stellen würde.“
Der Spiegel: „Deutschland bei Afghanen so unbeliebt wie nie“, 6. Dezember 2010.
Die größte Militärallianz der Welt führt einen Krieg gegen einen bewaffneten Aufstand, der sich gegen die militärische Besatzung Afghanistans durch den Westen richtet. Aufstände, das ist eine alte Erkenntnis der sogenannten Kriegskunst, sind dann erfolgreich, wenn sie ausreichend Rückhalt in der Bevölkerung haben. Das ist in Afghanistan der Fall. Der Teufelskreis besteht darin, daß die NATO-Kriegführung den Aufstand entfacht, den sie vorgeblich bekämpft. Im zehnten Kriegsjahr wird immer deutlicher, daß die NATO den Krieg schon längst nicht mehr gewinnen kann. Gegen seine Fortsetzung regt sich weltweit ziviler Protest. Die Niederlande und Kanada ziehen ihre Truppen deshalb bereits ab.
Wir befinden uns also an einem Wendepunkt. Zur Entscheidung steht: Entweder die NATO verliert langwierig den Krieg, was weitere Zerstörungen an Menschenleben und Lebenschancen bedeuten und zur Begründung weiterer Aufrüstung und Militarisierung herangezogen werden würde. Oder die Friedensbewegung setzt den Abzug der NATO-Armeen aus Afghanistan und damit einen Politikwechsel durch, dessen Kernelemente sind, den angerichteten Schaden durch entwicklungspolitische Anstrengungen wiedergutzumachen und die Lehre „Nie wieder Krieg!“ zu ziehen.
Für die NATO geht es in Afghanistan schon längst um mehr als „nur“ einen militärischen Erfolg. Mit der Legitimierung des Afghanistan-Krieges bröselt die Legitimierung der NATO selbst. Sie ist aber - für die Herrschenden - ein unverzichtbares Instrument zur weltweiten Durchsetzung bornierter Profitinteressen des großen, konzentrierten Kapitals. Denn der Krieg ist selbst ein lukratives Geschäft, für das die Bevölkerung der NATO-Länder geschröpft wird und mit dem noch der letzte Winkel der Welt in „den Markt integriert“ werden soll.
Die militärische Besatzung Afghanistans öffnete nicht zuletzt den Weg zur Privatisierung aller afghanischen Staatsbetriebe und ermöglichte Gesetze, die ausländischen Investoren völlige Freiheit des Kapitaltransfers und in den ersten acht Jahren Steuerfreiheit (danach 20% Flat-Tax) garantieren. Der Wert der afghanischen Bodenschätze (u.a. Eisen, Kupfer, Kobalt, Uran, Zinn, Lithium, Gold, Marmor, Erdgas, ...) wird auf mindestens eine Billion US-Dollar geschätzt und kommt bisher mitnichten der Bevölkerung zu Gute. Nach zehn Jahren NATO-Krieg gehört Afghanistan zum ärmsten Dutzend Ländern der Welt. Nur jede sechste Person kann in Afghanistan lesen und schreiben und die Lebenserwartung ist auf 43 Jahre gesunken.
Die Alternative zur militärischen Verschärfung dieses Elends ist die sofortige Beendigung der Kriegshandlungen seitens der NATO-Staaten verbunden mit dem sofortigen Beginn des Abzugs ihrer Truppen und dem Einsatz der freiwerdenden Mittel für die zivile Entwicklung Afghanistans. Ohne Besatzung - kein Aufstand.
Nachdem der Krieg verloren ist, muß der Frieden noch gewonnen werden.
Damit alle Menschen als prinzipiell Gleiche solidarisch ihre Kräfte potenzieren, müssen die Armeen beseitigt werden, die Soldaten zivile Berufe ergreifen, die Industrien Nützliches herstellen, der erarbeitete Reichtum von den Reichsten zu den Ärmsten umverteilt werden.
Um die Dominanz der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Belange der Weltbevölkerung - Gesundheit und Wohlergehen, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Versorgung, sozialer Leistungen, Mobilität und Kommunikation, Bildung und kultureller Entfaltungsmöglichkeiten - gegenüber dem Gewinninteresse ist hauptsächlich in den großen Industriemächten der Welt zu streiten. Von hier geht der Krieg aus, von hier kann der Frieden ausgehen.
Eine Möglichkeit mit dieser Ambitionen aktiv zu werden und Kontakte zu knüpfen ist die bundesweite Unterschriftensammlung: „Den Krieg in Afghanistan beenden - zivil helfen“. Es wurden bereits über 45.000 Unterschriften gesammelt. Im Januar soll vor der Entscheidung des Bundestages über die Fortsetzung des Afghanistan-Krieges den verantwortlichen Politikern ein erster Schwung übergeben werden. Die Sammlung wird fortgesetzt, bis ihre Ziele erreicht sind.