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sozial ist demokratisch

Die soziale Lage von Studierenden ist nach wie vor alles andere als rosig. Zwang zum Jobben, Bettel-BAföG, hohe Mieten, miese Berufsaussichten - dies und mehr macht ein Studium zum eher getrübten Vergnügen. Für finanziell nicht privilegierte wirkt sich das mit sozialer Selektion beim Bildungszugang und Konformitätsdruck von Beginn des Studiums an aus. Von wegen Studierfreiheit: Schnell muß es gehen, schon allein wegen der Schulden, die sich bei Bezug des BAföG anhäufen. Jedenfalls, wenn man zu den wenigen ,,Glücklichen" gehört, die überhaupt noch eine staatliche Förderung erhalten. So ist der Anteil der Studierenden aus einkommensschwachen Familien in der Ära Kohl von 23 auf 17% gesunken - minus 1/4 bei steigenden Studierendenzahlen!
Egal? Sind alle Menschen eigenverantwortliche Individuen, die soziale Härten als Individualschicksal zu begreifen und zu meistern haben? Dies ist das Credo der Politik, die in den vergangenen Jahren global auf Kosten der Lebenschancen der Mehrheit der Menschen den gewaltigen Reichtum dieser Gesellschaft weiter zugunsten einer immer kleineren Gruppe umverteilt hat, der Mehrheit leere Staatskassen und ,,Sparzwänge" hinterlassend.
Wir meinen, erst eine solidarische Gesellschaft, die zu tragende Lasten auf alle Schultern verteilt, kann wirklich menschlich genannt werden. Dafür braucht es allerdings eine prinzipielle Absage an die Politik der letzten Jahre, nicht bloß einen Regierungswechsel.

Sozial: Bündnisse

Insgesamt ist in letzter Zeit nicht mehr so viel von ,,Standort" dafür aber mehr von ,,Sozial" die Rede, greifbare Verbesserungen müssen aber noch durchgesetzt werden. Wir wollen sie nicht herbeijammern sondern in die Tat umsetzen helfen - und zwar nicht nur bei studentischen Sonderinteressen.
Denn einerseits ist es etwas armselig z.B. nur festzuhalten, das Studi-BAföG sei mies und zu ignorieren, daß es auch mal ein (unter Kohl abgeschafftes) BAföG für weiterbildende Schulen gegeben hat. Oder gegen Studiengebühren zu sein, ignorierend daß die Debatte inzwischen sich um die Einführung von Bildungsgebühren für Oberschulen zu drehen beginnt.
Andererseits ist es aber einfach dumm, sich zur Durchsetzung grundsätzlich gemeinsamer sozialer Interessen nicht mit anderen Gruppen zusammenzutun. Wie eben bei der:

Ausbildungsfinanzierung

Chancengleicheit ist nur erreichbar, wenn der Zugang zu Bildung nicht durch die soziale Herkunft bestimmt wird. Das in den 70er Jahren eingeführte BAföG war in diesem Sinn Teil einer auf mehr Partizipation ausgerichteten Hochschul- und allgemein Gesellschaftspolitik. Heute weniger zu wollen wäre kleinmütig.
Staatliche Ausbildungsfinanzierung muß wieder Instrument zur Herstellung angeglichener Teilhabechancen sein. Es ist damit mehr als nur eine Angelegenheit von Studierenden.
Beispielsweise in dem Sinne, daß es - angesichts der finanziellen Lage vieler Familien bzw. der früheren Abnabelung Jugendliche von Eltern darum gehen muß, höherqualifizierende Schulbildung ebenfalls staatlich zu fördern.
Oder darum, daß angesichts sich radikal verändernder Erwerbsbiographien, die Absicherung lebensbegleitenden Lernens in einem System der Ausbildungsfinanzierung zu integrieren wäre.
Allerdings geht es uns nicht um eine Privilegierung des Bildungsbereiches, sondern darum, zu einem System allgemeiner sozialer Grundsicherung zu kommen. Was eine dramatische Umverteilung von Arbeit und Reichtum erfordert. Gerade von letzterem ist - höchst ungleich verteilt - offenkundig einiges vorhanden. Wer darauf vertraut, in Privathand belassen, würden aus diesem Reichtum schon viele, viele Flügelbauten - als Steuern der Gesellschaft zugeführt könnten hingegen eh nur neue Eurofighter daraus werden - der wird allerdings schon den Gedanken an die zarteste BAföG-Reform fahren lassen müssen.
Mehr soziale Absicherung kostet nicht mehr Geld - es muß nur intelligenter verteilt werden. Ohne besagte Umverteilung kann es keine verbesserte Ausbildungsfinanzierung, geschweige denn gesellschaftliche Innovation und Gerechtigkeit geben. Darum gehts aber, und daß ist wie gesagt nicht nur in studentischem Interesse. Eine soziale BAföG-Reform als Stop des Rückzuges des Staates kann ein erster Schritt sein.

Studiengebühren

Da wird einerseits das bundesweite Verbot von Studiengebühren angekündigt, andererseits werden aktuell in Niedersachsen ebensolche unter dem Namen Verwaltungsgebühr eingeführt. Klar ist, daß alles, was ein Studium teurer macht sich als je nach Finanzkraft unterschiedlich gravierende Hürde auswirkt - soziale Selektion. Dennoch erklären Befürworter von Gebühren unermüdlich, wer eine Hochschule in Anspruch nehme, solle gefälligst dafür zahlen, das sei sozial. (Wann werden eigentlich Wahlgebühren eingeführt? Warum sollen Nichtwähler eigentlich Wahlen finanzieren?
Schamhaft zu beschweigen, daß die eigene Partei - ob nun in der Konstellation rot-grün oder rot-rot - ganz überraschend das eigene Programm weichspült überlassen wir anderen. Wir meinen, jetzt ist es an der Zeit, bundesweit koordiniert die Verwirklichung des proklamierten Studiengebühr-Verbotes einzufordern. Eine Möglichkeit dazu wäre, daß der Hamburger AStA endlich im bundesweiten Studierendendachverband fzs mitarbeitet.

Unsere BAföG-Forderungen ganz konkret:

 BAföG darf nicht an Leistungskriterien geknüpft werden, das Recht auf Bildung ist nicht an Leistungs-Konformismus geknüpft.
 BAföG für alle: Unabhängig von Alter und Staatsangehörigkeit.
 BAföG-Leistungen müssen bedarfsdeckend, also an realistische Lebenshaltungskosten ausgerichtet sein
 BAföG-Förderung für reale, statt vollkommen fiktive Regelstudienzeiten.
 BAföG-Förderung als staatlicher Vollzuschuß: Kein Darlehens- oder Zinsbafög, schon gar nicht Nepper, Schlepper, BAFF-fänger.
 Keine Begrenzung der Förderungshöchstdauer auf Kurzstudiengänge wie den Bachelor.
 Elternunabhängige Förderung: Ausbildung ist gesellschaftliche Aufgabe. Studienfinanzierung durch Eltern geht dagegen von einem überholten Familienmodell aus. Schluß mit dem Erkaufen ewiger Dankbarkeit.

Was studentische Sozialpolitik leisten muß:

Beraten: Der AStA muß Studierende möglichst umfassend bei der Wahrnehmung sozialer Rechte unterstützen. Mit kompetenter Individual-Beratung (z.B. BAföG-Beratung), der Unterstützung von Musterklagen (z.B. bei Nichtzulassung zum Studium), Rechtsberatung für Jobber, Wohnungssuchende etc.

Informieren: Der AStA muß Studierende über politische und rechtliche Entwicklungen auf dem Laufenden halten, über spezifisch studentische Belange ebenso wie sozialpolitische Themen von allgemeinem Interesse.

Druck machen: Sozialpolitische Ziele von einem preiswerterem Semesterticket bis zu einer sozialem BAföG-Reform können nur durchgesetzt werden, wenn der AStA über den Tellerrand der eigenen Uni hinausguckt. Darum muß stärker mit anderen ASten, mit Gewerkschaften, Arbeitsloseninitiativen, Schülern... gemeinsam agiert werden, von lokal bis bundesweit.

Studentenwerk

Das Studentenwerk betreibt u.a. die Mensen und etliche Studierendenwohnheime. Wir meinen, der AStA muß dem Studentenwerk im Interesse der Studierenden auf die Finger gucken. Beispielsweise hinsichtlich Miethöhe und Vergabepraxis in den Wohnheimen oder den Mensen: Warum das preiswerte Essensangebot für Vegetarier abgeschafft wurde, ist kaum einzusehen. Hier sind konkrete Verbesserungen gefragt.

Jobs

Prinzipiell halten wir es für ein Übel, daß der Großteil der Studierenden gezwungen ist, neben dem Studium zu jobben, bzw.' neben dem Job zu studieren. Daher fordern wir eine soziale BAföG-Reform. Da die Realität im Moment anders aussieht, muß der AStA allerdings über Fragen der Sozial- und Krankenversicherung sowie steuerrechtliche Fallstricke für Jobber informieren.
Die Vermittlung von Jobs sollte möglichst unbürokratisch abgewickelt werden. Damit sich aber nicht irgendwelche Privatunternehmen eine goldene Nase an Jobsuchenden verdienen, sollte das Arbeitsamt sein Vermittlungsangebot für Studierende verbessert ausbauen. Als konkrete Verbesserung für Jobsuchende fordern wir, die ,,Jobberhöhle" wieder aus der Wüste am Nagelsweg zurück an den Campus zu holen.

Menschenfreundliche Uni?

Längst überfällig ist die behindertengerechte Einrichtung aller Universitätseinrichtungen. Doch auch im neuesten Gebäude der Uni (Danke-Greve-Flügel) wurden die Belange von Körperbehinderten nicht ausreichend berücksichtigt. Ein Unding, das den AStA auf den Plan rufen sollte.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Sonntag, den 10. Januar 1999, http://www.harte--zeiten.de/artikel_171.html