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Internationalisierung ist nicht gleich internationalistische Politik
Unter dem Label Internationalisierung wird zur Zeit an der Uni versucht, Konzepte zur Elitenbildung durchzusetzen. Dabei wird mit der vorgeblichen Notwendigkeit argumentiert, sich internationalen Trends anpassen zu müssen, jedoch dienen diese Maßnahmen häufig nur einer verschärften Marktausrichtung der wissenschaftlichen Bildung.
Die Uni soll internationaler werden
Soweit so gut, aber was ist eigentlich international und wozu?
Das Leitbild der Uni fordert diese "Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft für eine friedliche und menschenwürdige Welt", jedoch zeigt die AusländerInnenpolitik der Unileitung, daß man vor allem bestrebt ist, über die Uni Auslandskontakte zur Sicherung des "Wirtschaftsstandorts Deutschland" zu knüpfen.
Elitenbildung am ICGS
Ein Beispiel dafür ist das neu gegründete International Center for Graduate Studies (ICGS) an der Uni, wogegen Studiengebühren von DM 1.500 pro Monat - ausländische Studierenden aus sog. wirtschaftlich dynamischen Ländern ihren Master oder eine Promotion machen können. Für Studierende aus strukturschwächeren Ländern ist dieses Kolleg nicht gedacht, allein schon weil es für diese nicht zu bezahlen ist.
Gleichzeitig werden die Zulassungsbeschränkungen für ausländischen Studierenden immer repressiver gehandhabt (insb. in der Medizin), obwohl die Zulassungsquote für AusländerInnen sowieso nur bei 5% der insgesamt zur Verfügung stehenden Studienplätze liegt und es jedes Semester viermal mehr Bewerbungen gibt.
Der Bachelor
Eine weitere Maßnahme zur sog. Internationalisierung der Uni, die mittlerweile in fast allen Fachbereichen diskutiert wird, ist die Einführung eines "ersten berufsqualifizierenden" Abschlusses, eines Baccalaureats (der Einfachheit halber hier BA).
Durch den BA sollen angeblich die Möglichkeiten des Studienortwechsels verbessert werden. Vergleichbarkeit ist sicherlich wünschenswert, ein Problem ist nur, daß durch die gleiche Bezeichnung noch lange nicht Vergleichbares studiert wird. Daß man trotzdem nach einem Wechsel ins Ausland oder von dort hierher sinnvoll weiter studieren kann, ist nur durch qualifizierte und individuelle Studienberatungen und eine verbesserte internationale Kooperation der Hochschulen zu erreichen. Zudem sind seit drei Semestern die Sprachkurse des Zentralen Fremdspracheninstituts (ZFI) kostenpflichtig, obwohl diese Kurs für viele Studierende notwendige Voraussetzung für einen künftigen Auslandsaufenthalt sind. Gleichzeitig ist zu erwarten, daß ein BA als "erster berufsqualifizierender" Abschluß Maßstab zur Berechnung der Förderungshöchstdauer durch das BAföG wird, d.h. daß sein Studium dann nur weiterführen könnte, wer es allein für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann. Solche gestuften Abschlüsse, bzw. die Teilung des Studiums in "berufsqualifizierend" und "wissenschaftlich" trägt zur Selektion bei, die wir ablehnen.
Ausländerbehörde an die Uni?
Ein weiterer Beleg dafür, daß es der Unileitung bei ihrer "Internationalisierung" nicht um international solidarische Entwicklung geht, ist ihr Verhalten in der Diskussion um die Dezentralisierung der Ausländerbehörde der Stadt. Diese sieht vor, für bestimmte, privilegierte Gruppen von AusländerInnen Außenstellen der Behörde, bei der Handelskammer und der Universität, einzurichten. Zwar wird damit vordergründig versucht, der tatsächlich unhaltbaren Situation in der Ausländerbehörde entgegenzuwirken. Verbunden ist dieses aber mit einer deutlichen Trennung der Betroffenen in eine Masse derjenigen, die weiterhin mit endlosen Wartezeiten, unpersönlicher Betreuung und schlechter Beratung zu rechnen haben, und einer Bildungs- und Finanzelite, die im Sinne einer "kundenorientierten Dienstleistung" bevorzugt behandelt werden. Zu diesem Zweck ist die Einrichtung einer Außenstelle im Hauptgebäude der Universität im Gespräch, welche maßgeblich von Uni-Präsidenten unterstützt wird.
Chancengleichheit ausgehebelt
Doch ausländische Studierende sind auch unmittelbar von staatlicher Repression betroffen: Erstens haben sie nur ein eingeschränktes Recht auf Arbeit (nur Ferienteilzeitarbeit). Zweitens sieht die sog. Bevorrechtigungsregelung vor, daß sich zwar alle AusländerInnen selbsttätig Arbeitsplätze suchen dürfen, jedoch werden diese hernach vom Arbeitsamt ausgeschrieben. Wenn sich daraufhin auf diesen Arbeitsplatz EU-BürgerInnen bewerben, haben diese bevorrechtigten Anspruch auf diese Stelle. Damit ist jede Chancengleichheit de facto ausgehebelt. Nach massiven Protesten ist durchgesetzt, daß diese Regelung zur Zeit keine Anwendung findet.
So bedeutet die "Internationalisierung" wie sie von der Universitätsleitung betrieben wird, daß die Hochschulen eine weltweite Bildungselite heranzüchten sollen, während sowohl untere Einkommensschichten der Industrienationen als auch der Großteil der Bevölkerung aus "Entwicklungsländer" bewußt benachteiligt werden. Diese Politik befördert das Bestehen und Verfestigen nationaler und internationaler Ausbeutungsverhältnisse. Mit internationalistischer Poltik im Sinne kulturellen Austauschs und eines Beitrags zur politischen Kooperation "für eine friedliche und menschenwürdige Welt" (Leitbild) hat das nichts zu tun.
Für internationale Solidarität
Aufgabe einer starken, linken studentischen Interessenvertretung ist es nun, nicht allein über kurzfristige Spenden an "Bedürftige" Schadensbegrenzung zu betreiben, sondern langfristig wirksame Kontakte aufzubauen und bestehende zu nutzen. Dadurch sollen mit Studierenden kooperiert werden, die sich für die Überwindung der sozialen Verhältnisse der sog. Dritten Welt einsetzen. Die Abhängigkeit gerade dieser Staaten von den Industrienationen und damit deren Interesse an der Aufrechterhaltung dortiger Herrschaftsverhältnisse muß dabei verstärkt in den Mittelpunkt öffentlicher Auseinandersetzung gestellt werden.
Dafür ist es notwendig, sich um die Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Studierendenorganisationen anderer Länder zu bemühen, um mit ihnen gemeinsame Interessen und Möglichkeiten zu ihrer Durchsetzung zu entwickeln.
Die wissenschaftspolitische Aufgabe, die Thematisierung von Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung als Ursachen für Flucht und Migration in Forschung und Lehre der Uni Hamburg einzufordern, muß ebenso in Angriff genommen werden.