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Demokratie für die Uni - Demokratie durch die Uni

Das Hochglanzjournal der Hamburger Univerwaltung "Uni HH" feixte letztes Jahr: "Empfehlungen fallen nicht ins Gremienloch". Dahinter steht die Befürchtung, daß von einer Gutachterkommission empfohlene Maßnahmen zur Umstrukturierung der Universität evtl. nicht hätten umgesetzt werden können, weil der Prozeß der demokratischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in den Gremien der Akademischen Selbstverwaltung entweder zu lange gedauert hätte oder diese sich nach eingehender Befassung gar gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen ausgesprochen hätten.

Was demokratische Mitbestimmung soll

Es ist aber gerade die Aufgabe der Akademischen Selbstverwaltung, VertreterInnen aller an der Universität Tätigen, ob ProfessorInnen, Angestellte oder StudentInnen, die Möglichkeit zu geben, über alle Fragen der Hochschulentwicklung mitzuentscheiden.
Universitäten haben immer gesellschaftlich relevante Aufgaben. In Anbetracht globaler Probleme, von geschlechtsspezifischer und rassistischer Diskriminierung und Arbeitslosigkeit über Armut und Umweltzerstörung bis zu Krieg, kommt dem Bildungssektor, und hier eben auch den Universitäten, eine zentrale Bedeutung bei der Überwindung dieser gesellschaftlichen Widersprüche zu.
Dabei muß Bildung die Fähigkeit vermitteln, gesellschaftliche Zusammenhänge zu erkennen, bestehende Verhältnisse kritisch zu hinterfragen und daraus konkrete Handlungsoptionen zu entwickeln. Zum anderen geht es darum, durch wissenschaftlichen und technischen Fortschritt ungesunde und stupide Arbeit zu erleichtern, Menschen zu ermöglichen - auch außerhalb von Lohnerwerb und unabhängig von einer Notwendigkeit "häuslicher" Reproduktion - anderen, sinnvollen Tätigkeiten nachzugehen. Wenn Wissenschaft also den Menschen und sein Wohl in den Mittelpunkt stellen soll, dann muß sie bspw. Vollbeschäftigung unter humanen Arbeitsbedingungen ermöglichen, nicht Rationalisierung und Profitmaximierung. Außerdem hat sie den Auftrag, Lösungen für globale Probleme zu erarbeiten, in dem sie die Wissensbasis schafft, auf der soziale, politische, ökologische und technische Entwicklung aufbauen.
Demzufolge müssen Entscheidungen über Wissenschaftsentwicklung, wie sie in den Gremien der Akademischen Selbstverwaltung getroffen werden, immer im Bewußtsein dieser gesellschaftlichen Verantwortung gefällt werden.
Wenn solche Entscheidungen hingegen durch Marktkräfte und über Managementstrukturen und Weisungsbefugnisse durchgesetzt werden, stellt sich die Universität in den Dienst eben jener Interessengruppen, welche die zu überwindenden globalen Probleme mit zu verantworten haben. Dieser Widerspruch wird maßgeblich dadurch verstärkt, daß die Universität sich mit der Annahme und Einwerbung von privaten Mitteln zur Finanzierung ihrer Forschungstätigkeiten in eine direkte Abhängigkeit zu den Sponsoren, meist großen Unternehmen, begibt und sich somit auch zunehmend nach deren Forderungen und Interessen zu richten hat.

Das Problem: Feigenblattdemokratie

Nun gibt es an der Universität die Gremien der Akademischen Selbstverwaltung. Doch seit der Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) 1997 sind die Zuständigkeiten der Gremien weitgehend beschnitten und Aufgaben an Einzelpersonen, z.B. die FachbereichssprecherInnen, delegiert worden. So kommt den Gremien häufig in wesentlichen Entscheidungen der Finanzplanung nur noch eine beratende Funktion zu, die sie zudem häufig nicht angemessen wahrnehmen können, da die Zahl der anstehenden Entscheidungen immer höher, der Informationsfluß spärlicher und die Zeit immer knapper bemessen wird. Studierende haben zusätzlich oft das Problem, neben dem Studium für ihren Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, so daß für weitere Aktivitäten und eben auch hochschulpolitische Arbeit höchstens begrenzt Zeit bleibt.
Ein weiteres Kernproblem bei der Interessenvertretung in diesen Gremien besteht seit eh und je: Die Sitzverteilung auf die unterschiedlichen Statusgruppen sieht in fast allen Gremien, zumal in den wichtigsten, wie Akademischer Senat, Konzil und Fachbereichsräte, eine professorale Mehrheit vor. Daraus entstehen oftmals Situationen, in denen den VertreterInnen der Mindermeinung (häufig den Studierenden) eher die Funktion einer Legitimationshilfe als die einer politischen Kraft zukommt. Die Zahl der ProfessorInnen ist gemessen an der Zahl aller anderen Mitglieder der Uni außerdem verschwindend gering, so daß das Abbild der Verteilung der politischen Macht eher dem einer feudalistischen Herrschaftspyramide gleicht als einer gleichberechtigenden, demokratischen Gremienstruktur. Dem könnte begegnet werden, in dem nicht nur die Verwaltungsbürokratie, sondern auch die demokratischen Selbstverwaltungstätigkeiten von Unimitgliedern angemessene materiell abgesichert würde.

Pro Uni - Contra Demokratie

Gleichzeitig werden Strukturen geschaffen, die es ermöglichen, abseits demokratischer Auseinandersetzung, maßgeblich Einfluß auf die weitere Universitätsentwicklung zu nehmen. Das beste Beispiel hierfür ist das "Projekt Universitätsentwicklung" (Pro Uni), das aus Mitteln der VW-Stiftung finanziert wird, die der Präsident der Uni mit seinem Konzept zur "Verschlankung und Effektivierung" der Hochschulverwaltung eingeworben hat. Dabei handelt es sich um eine universitätseigene "Unternehmensberatung", welche die Uni bei ihrer sog. Modernisierung (durch Einführung von Managementstrukturen statt demokratischer Gremien, "Studienreformen" durch einseitige Ausrichtung der Studiengänge auf Markterfordernisse und "Qualitätsicherung" durch verstärkte inneruniversitäre Konkurrenz) unterstützen soll. Tatsächlich formuliert das Projekt eigene Ziele, welche die Uni "marktgängiger" machen sollen und betreibt deren Umsetzung soweit möglich jenseits jeder demokratischen Legitimation. Der Präsident bedient sich dabei gerne dieser Möglichkeit, die universitären Öffentlichkeit aus dem Diskurs um Universitätsentwicklung allgemein und konkrete Vorhaben herauszuhalten.

Für eine soziale und demokratische Gesellschaft - Für eine demokratische Universität

Eine fortschrittlich-demokratische Gesellschaft, orientiert an sozialer Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Ökologie setzt eine umfassende Demokratisierung dieser Gesellschaft und die Emanzipation jeder/s Einzelnen voraus. Einen wesentlichen Beitrag hierzu können Bildung und Wissenschaft leisten. Die Beteiligung aller an der Universität Tätigen, um eine breite Partizipation an politischen Prozessen und Entscheidungen, wie Mittelvergabe (z.B. für Forschungsprojekte) und über die Ausrichtung von Wissenschaftsinhalten zu gewährleisten, ist zur Sicherung dieses Bildungsauftrages notwendig.

Paritäten reichen nicht

Deshalb streben wir eine Demokratisierung der Hochschulen an, die sich an den Aufgaben und der Verantwortung von Bildung und Wissenschaft für eine eben solche Gesellschaft orientiert.
Den ersten Schritt dazu würde eine Stärkung der Befugnisse demokratisch gewählter Gremien in der Akademischen Selbstverwaltung machen, die den VertreterInnen der Statusgruppen gleichberechtigt-paritätisch die Möglichkeit zum Eingreifen in die Auseinandersetzungen böte.
Dann ist es aber konsequent, vom ständischen Vertretungsmodell der Statusgruppen mit ihrer je spezifischen Cliquenwirtschaft zu einer Selbstverwaltung zu kommen, in der jedeR jedeN wählen kann. Die Wahl wäre dann nicht mehr durch Statusgruppenzugehörigkeit begrenzt, sondern könnte sich vollständig an politischen Kriterien orientieren. Das würde endlich wieder das Interesse aller Unimitglieder daran wecken, sich öffentlich über die wissenschafts- und hochschulpolitische Entwicklung auseinanderzusetzen und so zu einer Politisierung beitragen - auch bei den Profs, die dann auf studentische Stimmen angewiesen wären, um in den Gremien Platz zu nehmen.

Wissenschaft ist demokratisch

Demokratisierung ist mehr als die Veränderung von Gremienstrukturen. An einer demokratischen Hochschule muß die Bestimmung von Wissenschaftsinhalten realer Bestandteil des Studiums aller sein - nur das ist eine wissenschaftliche Ausbildung und nur das kann eine Hochschuldemokratisierung komplett machen.

Gleichberechtigte Teilhabe in Uni-Gremien

Wissenschaftsinhalte demokratisch bestimmen

Tranzparentere Entscheidungsstrukturen

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 5. Januar 1999, http://www.harte--zeiten.de/artikel_166.html