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Sicherheit und gute Laune

Die Uni hat ein neues Gebäude ... und braucht einen neuen Präsidenten

Am 29. Oktober wurde der neue „Flügel West“ am Uni-Hauptgebäude eröffnet. Das Festprogramm: Bürgermeister Runde und Uni-Präsident Lüthje machen Diener vor Herrn und Frau Greve, den Stiftern. Danach Schnittchen, Sekt und Musik für die Gäste aus Politik, Gesellschaft und Bundeswehr.

Was zum akademischen Glamour – fast – fehlte, war: die Uni. Selektiv eingeladen war nur eine Hand voll Vorzeigestudierender. Einen für die geschlossene Veranstaltung von Fachschaftsrätekonferenz (FSRK) und FSR Jura angemeldeten kurzen Beitrag hielt Lüthje dagegen für nicht opportun.

Man hatte auch so Unterhaltung: Runde, in der Vergangenheit schon mal mit kritischen Tönen zu der mit massiver Anhäufung privaten Reichtums einhergehenden Machtkonzentration unangenehm aufgefallen, feierte eben diese in Hamburg besonders geballte ökonomische Potenz. Mäzenatentum nämlich sei ein „Trumpf“ den Hamburg anderen Städten voraus habe. Was Runde auf den „sprichwörtlichen Weitblick der Hamburger Unternehmer“ (!) zurückführt. Die Rendite werde in „nachwachsendem geistigen Rohstoff“ bestehen.

Und der Uni-Präsident begrüßte ohne jedes Gespür für Peinlichkeit die teilweise sichtlich indignierten Feiergäste mit ausschweifenden Entschuldigungen für die ungezogenen Studierenden. Sollte diese radikale Minderheit vor dem Eingang Ärger machen, bat Lüthje, doch das Sicherheitspersonal zu unterstützen.

Dies und mehr, um sich bei der untertänigen Bitte an die Spender, den Neubau im „inneruniversitären Sprachgebrauch Greve-Flügel nennen zu dürfen“, nicht durch inneruniversitäre Kritik stören lassen.

Denn angemerkt werden sollte etwa, daß die Uni keine „neue Stiftungskultur“ braucht (wie Lüthje meint), die sie vom privaten Gutdünken bzw. der „unternehmerischen Weitsicht“ solventer Geldgeber abhängig macht, sondern bedarfsgerechte staatliche Mittel.

Es ist eben doch Einflußnahme, wenn die Stifter der Flügelbauten der Uni eine bestimmte Nutzung der Gebäude vorschreiben. Wobei es nicht darum geht, moralisch zu beklagen, daß private Geldgeber partikulare Interessen verfolgen. Es sind allerdings private Zwecksetzungen, die keinem demokratischen Entscheidungsverfahren unterliegen. Genau das ist das Grundproblem mit privaten Mitteln für eine öffentliche Einrichtung wie die Uni.

Dazu kommt standardmäßig der Einwand, privates Geld sei für die Uni besser als gar keins – Demokratie hin oder her. Es sei doch eine großartige Idee seiner Großeltern gewesen, der Uni die Flügel zu schenken. Für sein Erbe bliebe schon noch genug übrig, erklärte in diesem Sinne der Enkel der Flügel-Greves der MoPo.

Eben: man könnte anmerken, daß es schlicht Ergebnis falscher Steuerpolitik ist, wenn der Bürgermeister dieser Stadt sich für ein Gebäude für das die Stadt kein Geld hat bei einem Privatmann bedanken muß, der schlappe 75 Millionen zu verschenken hat. In einem demokratischen Staat kann es kein hinnehmbarer Zustand sein, daß über ob und Wie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zunehmend von nicht demokratisch legitimierten Instanzen entschieden wird, die über das Kapital verfügen.

Solcherart Kritik würde den feierlichen Charakter der Veranstaltung zerstören und sei ein „Affront“ für die Gäste, meinte Herr Lüthje. Womit sich die Frage stellt, was für eine Universität sich der Herr Präsident wünscht, wenn nicht eine als Ort der Wissenschaft, was immer die Freiheit zu kritisieren und zur argumentativen Auseinandersetzung beinhalten sollte. Wie soll also die Äußerung von Kritik einer Uni schlecht anstehen? Wobei Lüthje bereit wäre, sich der inhaltlichen Kritik zu stellen, wenn der Streit um private Geldgeber nur hübsch intern bliebe. Sein Anliegen war, den Greves und potentiellen weiteren Geldgebern keine Uni mit Widerspruch zuzumuten. Was wiederum zeigt, daß die Abhängigkeit von privatem Kapital der Wissenschaft nicht bekommt.

Um jeden Mißklang auszuschalten entfaltete die Präsidialverwaltung einen von der Unibürokratie nicht für möglich gehaltenen hektischen Aktivismus. Im Vorfeld wurde ein Verwaltungsapparatschik vorgeschickt, um im AStA-Trakt nach verdächtigen Aktivitäten zu forschen, gab es dringende Telefonate mit der GAL-Bürgerschaftsfraktion in der Hoffnung, die kleine Regierungspartei könne ihren (wohl etwas überschätzten) Einfluß auf die unbotmäßigen Studierenden wirken lassen.

Lüthje, der seine eigene Meinung gern als die Meinung „der Uni“ darstellt, betonte krampfhaft, die Protestierenden sprächen nicht für alle Studierenden (eine banale, unbestrittene Wahrheit) und sprach gewählten studentischen Interessenvertretern aus AStA, SP und Fachschaften die Legitimation zur Meinungsäußerung prinzipiell ab.

Mit Unmengen privaten Sicherheitspersonals, Polizisten (die über die präsidiale Paranoia nur den Kopf schüttelten) verpaßte Lüthje der Feier im verbarrikadierten Flügelbau viel mehr „Affront“, als ein kritischer Redebeitrag es vermocht hätte. Vor allem hat der Präsident sehr plastisch gemacht, was es für die Uni bedeutet, wenn auf Interessen oder Befindlichkeiten privater Geldgeber Rücksicht genommen werden muß. Was von den Befürwortern privaten Sponsorings so gerne bestritten wird, hier zeigt es sich:

Wer vom privaten Reichtum abhängig wird, kann privaten Reichtum eben nicht mehr kritisieren!

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 11. November 1998, http://www.harte--zeiten.de/artikel_155.html