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"Serbische Greueltaten"

Deutschland im gerechten Krieg

Seit Mittwoch vergangener Woche ist die BRD gemeinsam mit anderen NATO-Staaten im Krieg gegen Jugoslawien, "zur Verhinderung einer humanitären Katastrophe" so die seit Tagen wiederholte Formel. Daß Krieg immer eine Katastrophe für die betroffene Bevölkerung ist, steht außer Frage, auch, daß die Armee Jugoslawiens Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt ist nicht bestritten.

Doch seit Jahren führt auch der NATO-Partner Türkei, etwa mit Waffenhilfe aus Deutschland, Krieg gegen die kurdische Bevölkerung des eigenen Landes. Seit Jahren wird diese Beihilfe durch Lippenbekenntnisse für eine politische Lösung des Kurdistankonflikts sowie den Hinweis auf die Souveränität der Türkei begleitet. Die neue Bundesregierung steht auch hier für politische Kontinuität, wie zum Hohn erklärt der Kanzler, es handle sich nicht um "unseren Konflikt". Anders offenbar in Jugoslawien, wo die NATO die Vereinten Nationen (UN) schlicht in die Ecke stellt und als selbsternannte "Völkergemeinschaft" einen völkerrechtswidrigen Krieg führt. Nichts also ist absurder, als wenn ausgerechnet die NATO, angeführt von Diktatoren-Unterstützungs-Weltmeister USA, sich als Verteidiger der Menschenrechte aufführen.

Bei der Darstellung der NATO-Angriffe schießen die Medien "Verantwortungsbewußtsein" aus allen Rohren - bis nicht viel mehr als Desinformation und Hetze übrigbleiben: Nicht gegen Jugoslawien bzw. die Serben, vielmehr geht es, darf man den Politikern glauben, ausschließlich "gegen Milosevic". Deutschland ist Kriegspartei, das wirkt sich offenkundig auch auf die Realitätswahrnehmung aus. Wie aus dem Golfkrieg noch erinnerlich sind Bombenangriffe auf Städte "Luftschläge". Während die Informationspolitik der jugoslawischen Regierung - zu recht - Zensur genannt wird, speicheltrieft es zugleich vor Verständnis für die "zurückhaltende Informationspolitik" der NATO im "Interesse 'unserer' Jungs". Kein Wort über die jugoslawischen Wehrpflichtigen, die von 'unseren' Kriegsfreiwilligen mit ihren "Intelligenten Bomben" ausgelöscht werden. Im Zentrum des nationalen Interesses stehen dagegen die Einschlafprobleme deutscher Soldatenmuttis.

Überhaupt unsere Jungs und ihre Familien: Wir sollen uns hinter sie stellen, sagt Kanzler Schröder. Seine Fernsehrede zu Beginn dessen, was die Medien zu einem Festival der neuen deutschen Normalität machen, war Verantwortungsbewußtsein, das so echt war wie die Buchattrappen im Hintergrund des Studios. Die moralische Kapitulation gipfelte in der Eröffnung, die Verantwortung für die Luftangriffe trage "allein Präsident Milosevic". Kaum zu glauben - der Kanzler schickt zum ersten Mal seit 1945 deutsche Soldaten in den Krieg und lügt die von ihm dafür zu tragende Verantwortung schlicht einem anderen in die Schuhe.

Um nicht mißverstanden zu werden: Wir tragen Verantwortung für die Lage im Balkan. Zumal gerade Deutschland die Krise in Jugoslawien befördert hat, etwa durch die Unterstützung der Neugründung von Slowenien und Kroatien, der Anti-Serbien-Partner Deutschlands im 2. Weltkrieg. Worum es aber nicht gehen kann, ist, daß ausgerechnet Deutschland in internen Konflikten anderer Staaten militärisch Partei ergreift.

Nannte Kriegsminister Scharping noch vor zwei Wochen die Albaner-Organisation UCK zu recht "terroristisch", ist nun allenthalben von einer "Befreiungsarmee" die Rede - denn auf deren Seite bomben wir mit. Was allerdings nicht bedeutet, daß die Angriffe im Interesse der Albanischen Zivilbevölkerung sind. Gerade wer dem simplen Strickmuster "gute Albaner - böser Serbe" folgt mußte ahnen, daß die Parteinahme der NATO für die UCK-Separatisten zu Brutalisierung auch in der Kriegsführung der Gegenseite führen würde.

Um die Spirale der Gewalt im Kosovo zu durchbrechen muß der Krieg gegen Jugoslawien beendet werden, um den Weg frei zu machen für neue Friedensbemühungen unter der Federführung von Staaten, die nicht Partei im Kosovo-Krieg sind. Alternativlos sind nicht die NATO-Bombadierungen, alternativlos ist eine Politik, die Konflikte ohne Gewalt löst und die Entstehung neuer Krisenherde durch menschenwürdige Entwicklung verhindert.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Sonntag, den 28. März 1999, http://www.harte--zeiten.de/artikel_150.html