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Leistungspunkte oder Menschenwürde? Eine internationale Frage

,,Sinn ist nicht die Ersetzung, wohl aber die gezielte Ergänzung der bislang im Vordergrund des deutschen Zuwunderungsrechts stehenden humanitären Zuwanderungstitel. Wir brauchen ein Umschalten von der unkontrollierten Zuwanderung in die Sozialsysteme hin zur Zuwanderungssteuerung zum Erhalt unserer Sozialsysteme.“
Rainer Brüderle (FDP), Bundeswirtschaftsminister, ,,Deutschland muß ein Chancenland werden“, FAZ vom 30.10.2010.

,,Artikel 1
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

Vereinte Nationen: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1948.

Wie vernünftig ist ein Minister, der Humanität für unwirtschaftlich und deshalb unzureichend hält?

Manche ,,Ausländer“ seien für ,,die deutsche Wirtschaft“ unerläßlich, die ,,pro Jahr 20.000 gut ausgebildete Arbeitskräfte“ zusätzlich bräuchte, wenn ,,wir Deutschland im weltweiten Wettbewerb ... voranbringen wollen“. Rassistische Pauschalisierungen Marke Sarrazin ,,differenziert“ er durch einen neoliberale Leistungsselektion: Am ,,Standort Deutschland“ möge man feststellen, in welchen Branchen es ihr an qualifizierten Fachkräften fehle. ,,Menschen mit diesen beruflichen Qualifikationen erhalten ein Maximum an Punkten“, damit sie leichter einwandern und hier wohnen können. Wenn einer vor deutschen Bomben in Afghanistan flieht, sollte er also lieber über einen ,,Ba. Sc.“ als Informatiker verfügen als Bauer oder Professor für persische Literatur zu sein, wenn er hier bleiben will.

Mensch-Sein nach Leistungspunkten?

Mit der Wertung von Menschen nach ihrer ökonomischen Verwertbarkeit als Rechtfertigung für ungleiche Lebensmöglichkeiten - mitnichten begrenzt auf Zuwanderer und Zuwanderinnen - , sind die Liberalen auf den flohstichigen Hund gekommen. Nichts von ,,Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“.

Die allgemeinen Menschenrechte, erstmals vertreten in der französischen Revolution und als Resultat der Überwindung der Nazi-Herrschaft und des Weltkriegs international zum völkerrechtlichen Entwicklungsmaßstab gemacht, sind das Ergebnis emanzipatorischer Kämpfe weltweit. Diese humane Perspektive harrt aber noch der Realisierung. Dafür mangelt es nicht an gesellschaftlich erarbeitetem Reichtum und industrieller Produktivität, sondern vor allem an sozialer Vernunft:

,,Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.“
Art. 23, UNO Menschenrechtserklärung 1948.

Was 1948 - die Welt lag in Trümmern - als erreichbare Aufgabe definiert wurde, kann heute objektiv nicht in weiter Ferne liegen. Der konzentrierte Reichtum muß dafür der asozialen Kontrolle einer globalen Elite entzogen und werden und in demokratische Verfügung gelangen.

Die menschliche Würde ist ein sozialer Prozeß. Dabei und dafür ist keiner verzichtbar.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 3. November 2010, http://www.harte--zeiten.de/artikel_989.html