Menü | HomePublikationenharte zeiten › Flugblatt von harte zeiten vom

Stuttgart 21

Eine Betrachtung über Demokratie

,,Aber es gibt doch keine Alternative. Die Verträge sind längst unterzeichnet und müssen jetzt erfüllt werden.“
Bahn-Chef Rüdiger Grube, ,,Die Wahrheit muß auf den Tisch“, Der Spiegel 20.09.2010.

,,Es ist ein bekannter Fluch des Kapitalismus, die Bedürfnisse der Welt nach den wirtschaftlichen Forderungen der Liefernden zu regeln. Nicht ob du Zahnbürsten brauchst, ist das wesentliche, sondern daß es eine Fabrik gibt, die ihre Million Zahnbürsten im Jahr absetzen muß. Und bist du nicht willig, so braucht sie Gewalt, von der Reklame bis zum Zoll.“
Kurt Tucholsky, ,,Offiziere“, 1920.

Deutschland (einig Vaterland) ist unbezweifelbar ein Rechtsstaat.

Der Bundesrechnungshof, geht davon aus, daß der Umbau des Stuttgarter Bahnhofs mindestens 8,3 Mrd. Euro (statt avisierten 4,8 Mrd. Euro) kosten würde. Die Unternehmen Herrenknecht AG (Tunnelbohrmaschinen) und Bilfinger & Berger (Hoch- und Tiefbau) und die Deutsche Bahn AG selbst sowie die Südwest Bank, die Deutsche Bank und andere Finanzinstitute machen Druck dafür, diese staatlich finanzierten Gewinne garantiert zu bekommen.

Irgendwelche Parlamente haben irgendwann auf Basis irgendwelcher ,,Informationen“ die entsprechenden Verträge toleriert, die die Bundes- und Landesregierung jeweils unter Führung der CDU beschlossen haben.

Der Rechtsstaat garantiert die Einhaltung von Verträgen. Die Polizei ist Teil des Rechtsstaates.

In Deutschland kann auch jeder werden, was er will.

Rüdiger Grube ist Sohn von Moorburger Obst-Bauern. Er hat sich sein Studium der Flugzeugtechnik und Wirtschaftspädagogik von Rüstungsmagnat Werner Blohm (Blohm & Voss) persönlich bezahlen lassen. Er hat in den 1980ern Wahlkampf für Klaus von Dohnanyi in Hamburg gemacht. 1989 hat er seine Dienste - vorerst umsonst - dem damaligen DASA/EADS-Manager Mehdorn zur Verfügung gestellt, ist im Rüstungskonzern EADS/Daimler zum Top-Manager aufgestiegen (wo er die katastrophal teure Fusion mit Chrysler mitverantwortet hat) und hat dann seinen ehemaligen Vorgesetzten, der mit seiner Bulldozerpolitik für den Börsengang der Bahn überzogen hatte, in der Spitze der Bahn AG beerbt. Das Kapital hat seine Offiziere. Sie benehmen sich auch so.

Deutschland, einig Demokratenland, ist eine Wirtschaftsmacht.

Die Wirtschaft macht. Daß ein Projekt unbezahlbar, gesellschaftlich unnütz, auch aus Ingenieurssicht gefährlich, unökologisch und kulturell geschichtsvergessen ist, sollte dabei nicht stören.

Das Wesen einer Demokratie ist, daß sie nicht auf Dauer gegen die Bevölkerung simuliert werden kann.

Die Aktivitäten gegen das gescheiterte Milliarden-Projekt des Umzug der Universität Hamburg in den Hafen haben gezeigt, daß historisch-kritische, kulturbewußte, solidarisch engagierte, außerparlamentarische Opposition den methodischen Wahnsinn überwinden kann.

Für die Universität kann es jetzt wirklich besser werden. Das ist ein orientierendes Beispiel.

Demokratie ist lernendes, kooperatives Eingreifen in die Politik. Wenn kritisch Denkende sich handlungsorientiert verständigen, kommt die Zerstörung an ihr Ende. Überall.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 5. Oktober 2010, http://www.harte--zeiten.de/artikel_979.html