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Freiherr zu Guttenberg: Rechnen mit Verlusten
,,Wesentlich ist doch: Von Afghanistan darf keine Gefährdung der internationalen Gemeinschaft mehr ausgehen - das Nichterreichen anderer Wünsche, auch von Traumbildern, wird man wohl mehr und mehr und klarer in Kauf nehmen müssen. Wie etwa die Illusion von einer Idealdemokratie in Afghanistan. Für Illusionen dürfen wir weder unsere Soldaten noch Polizisten oder zivile Helfer diesen Gefahren aussetzen.[...]
Aber ich bleibe dabei: Es wäre ein Fehler, sich auf ein Enddatum festzulegen.“
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), ,,Afghanistan wird sich nie absolut stabilisieren lassen“, FAZ-Interview, 4. Juli 2010.
Wesentlich für die Kriegführung ist Lügen. Afghanistan, daß als Staat seit 1919 auf die Bühne der Weltgeschichte getreten ist und seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein eigenständiges Königreich bildete, hat in seiner Geschichte nie ein anderes Land angegriffen. Die Taliban, die seit Anfang der 1990er Jahre zwei Drittel des Territoriums beherrschten, sind durch pakistanische Vermittlung von den USA militärisch und finanziell für den Kampf gegen die UdSSR, die 1979 auf Bitten der damaligen afghanischen Zentralregierung Militär in das Land schickte, ausgerüstet worden. Heute sind die Taliban nicht allein die reaktionär-militanten Anhänger einer pseudo-schiitischen Islamauslegung, sondern ein ,,westlicher“ Sammelbegriff für militärischen Widerstand gegen jene Besatzung, die sich ,,Enduring Freedom“ nennt.
Seit Jahrhunderten ist Afghanistan ein umkämpftes Land im geostrategischen und ökonomischen Wettkampf Englands, der USA und Rußlands. Heute ist - als nichtmilitärischer ,,Player“ - auch China auf das Feld getreten. Weil es um die wirtschaftliche Ausbeutung des Landes geht,- schon seit zwanzig Jahren wollen die USA eine Erdgas-Pipeline durchs Land bauen - geht von den mächtigsten Industrieländern der Welt eine Gefahr für Afghanistan aus. Nicht umgekehrt.
Ein sofortiger Stop aller Kampfhandlungen, Abzug der Besatzungstruppen, die Einstellung jeglicher Unterstützung für militärisch agierende politische Fraktionen des Landes und statt dessen die Unterstützung des Ausbaus einer sozialen regionalen Ökonomie, ziviler wirtschaftlichen Zusammenarbeit und einer vernünftigen Infrastruktur für Landwirtschaft, Gesundheit, Wohnen und Bildung könnte also wirklich stabile Entwicklungsmöglichkeiten für Land und Leute bringen. Militär ist dabei nur von Schaden: In neun Jahren Krieg und mittlerweile erheblich routiniert im Töten sind alle ausländischen Truppen Kriegspartei.
Dennoch: Der Bundeskriegsminister redet der Fortsetzung des Kriegs permanent das Wort. F.A.Z.: ,,Müssen wir mit Verlusten rechnen?“ - Guttenberg: ,,Ja, wir müssen, so bitter diese Aussage auch ist, weiter mit Verlusten und Verwundeten rechnen.“
Die menschliche Gesellschaft - und es gibt keine andere - ist weiterhin in der Krise.
Deshalb ist es notwendig, den Krieg zu beenden, die 3 Mrd. Euro jährlicher ,,deutscher“ Kriegskosten in solidarische internationale Kooperation zu investieren, die Spekulationen zu beenden, Steuern von wirklich Reichen zu nehmen (anstatt Wohngeld zu streichen, Kassenbeiträge und Kita-Gebühren zu erhöhen) und die gewonnenen staatlichen Einnahmen so zu investieren, daß sie menschlich nützlich sind: In vernünftige Arbeit, Bildung, Kultur und Gesundheit. Jeder menschlicher Arbeitsaufwand und jeder Euro, der nicht dem Krieg und der Profitmehrung dient, ist für würdige Lebensbedingungen gewonnen.
Die Bundesregierung ist nicht friedensfähig. Das ermöglicht ein abschließendes Urteil über sie.
Die gesellschaftliche Vernunft wächst dagegen mit der Zahl jener, die sich dafür einsetzen.