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G8-Gipfel: Dünne Luft und Nebel

,,Die leitenden Staatsmänner und Generale übernehmen >die Verantwortung< für das Schicksal, das sie den Völkern auferlegen. [...]
Und in der Tat haben jederzeit die Verantwortlichen auch nur dann die Konsequenz aus ihrer Übernahme der Verantwortung ziehen müssen, wenn das Volk Geschichte gespielt hat.“

Alfred Polgar, ,,Verantwortung“, 1919.

,,Randalierer“ hätten, so meldeten nahezu alle Kanäle, militant gegen den G8 Gipfel in Kanada demonstriert und dabei mehrere Autos und Fensterscheiben zerstört sowie Polizisten verletzt. Deren Einsatz kostete nach offiziellen Angaben umgerechnet 730 Millionen Euro.
Die Vereinten Nationen und zahlreiche Hilfsorganisationen hatten vor dem Gipfel gefordert, die reichsten Nationen der Welt sollten 24 Mrd. Dollar zur Überwindung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit bereitstellen. Beschlossen wurden rund 5 Mrd. Dollar, von denen Kanada allein drei übernimmt. (Dessen Truppenabzug aus Afghanistan scheint Mittel für andersartiges Engagement in der Welt frei zu machen). Die Hilfsorganisationen gehen deshalb davon aus, daß jährlich weiterhin mindestens 6 Millionen Säuglinge sterben werden.
Wer randaliert hier?
Nicht in der Lage, also nicht Willens, waren die Staatschefs, die einfachsten Maßnahmen zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise und der ursächlichen Bankenmacht zu beschließen wie zum Beispiel: Eine Finanztransaktionssteuer, erkleckliche Gewinnbesteuerungen und eine scharfe Bankenaufsicht sowie das Verbot jeder ungedeckten Spekulation. Speziell am Widerstand aus Deutschland scheiterte eine gemeinsame Orientierung auf steigende staatliche Investitionen für höhere Löhne, in Gesundheit, Bildung und Kultur sowie zur Erhöhung sozialer Transferleistungen: All dies würde die Binnennachfrage stärken, Arbeitsplätze schaffen und auch den europäischen Nachbarn aus der Krise helfen.
Stattdessen wird auf asozialen Sparpaketen beharrt, damit die Kosten der Bankenkrise auf die Bevölkerung abgewälzt werden, die südeuropäischen Ökonomien weiter verkarsten (Griechenland, Spanien, Italien werden zunehmend deindustrialisiert), deutsche Waren weiter gewinnträchtig exportiert werden können (was objektiv Grenzen hat, wenn keiner sie mehr kaufen kann) und auf dieser Basis die Gewinne der großen Konzerne und Banken weiter wachsen. Bis zum nächsten Crash.
Der Konflikt zwischen der Obama-Regierung und der Merkel-Regierung ist insofern eine exemplarische Richtungsauseinandersetzung. Einerseits der - viel zu zaghafte - nordamerikanische Versuch, gesamtwirtschaftlich rationaler sozialer Regulierung; anderseits der aggressive Widerstand einer expansiven, nationalistischen und kapitalhörigen Exportpolitik aus Deutschland.
Zu diesem Geschehen gibt die WM den dröhnenden Soundtrack. Danach ist die Welt genausowenig heile und fröhlich wie vorher.
Es sei denn, die über 30.000 friedlich Demonstrierenden in Kanada finden hier zunehmend Unterstützung. Von ,,Oben“ ist der Blick auf die Wirklichkeit wolkenverhangen. Die ,,Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise“ bereiten nur eine tiefere Krise vor. Frieden, soziale Wohlfahrt und Demokratie sollte man also nicht den Staatsmännern und Generälen überlassen.
Auch nicht, wenn sie Frauen sind.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 29. Juni 2010, http://www.harte--zeiten.de/artikel_955.html