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Der Tugendprediger - Ole von Beust in der Krise

,,»Es kann nicht sein, dass die Wohlhabenden sich nur um ihre Interessen kümmern und diejenigen, die in einer schwierigen Situation leben, nicht einmal mehr die Hoffnung oder die Chance haben, dass es besser werden kann«, sagte von Beust im Gespräch mit der WELT. »Ich finde, dass einige derjenigen, die sich für die Elite halten, ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.« Das Gefüge der Gesellschaft sei bis in die 80er-Jahre hinein klarer strukturiert gewesen. Nun gehe sie zentrifugal auseinander. »Ich glaube, dass die Elite sich heute weniger fragt, welche Verantwortung sie hat.«“
Die Welt, ,,Von Beust kritisiert die Eliten und seine eigene Partei“, 15. Februar 2010.

Der Bürgermeister ist melancholisch, denn die Welt ist nicht mehr in Ordnung. Die sogenannte Elite verliere Anstand und Moral. Der Resignierte wünscht sich - zumindest öffentlich - Heilung der Gesellschaft noch immer von Oben. Dort verortet er sich auch selbst.
Das Selbstmitleid ist schwer bekömmliche Inszenierung. Immerhin regiert von Beust in Hamburg seit über acht Jahren und hat, mit voller Unterstützung der großen Unternehmen und Banken, die sozialstaatlichen Fundamente eines demokratischen Gemeinwesens mit der Leitlinie von der ,,Wachsenden Stadt“ schwer geschädigt. Demzufolge sei Hamburg ein Unternehmen - zur Anwerbung, Qualifizierung und Verwertung von ,,Humankapital“.
Insbesondere die Rückendeckung für den Bankrott der HSH Nordbank, durch deren Umbau von einer kommunal wirtschaftfördernden Landesbank zu einer international auf Profitmaximierung setzenden Geschäftsbank ist sein politischer Beitrag zum Verfall der Stadt. In seiner Amtszeit wurden die Krankenhäuser privatisiert, die Verkehrswege vernachlässigt, die Sozialleistungen gekürzt, öffentliches Eigentum verscherbelt, Bildung und Wissenschaft kommerzialisiert, Hochschulen und Schulen mit neoliberaler Unternehmensideologie traktiert, sozialer Wohnungsbau belächelt und ,,Kreativität“ und Kultur zum werbewirksamen Standortfaktor degradiert, derweil Hamburg zur bundesrepublikanischen Steueroase fürs Großkapital mutierte. Dies war und ist begleitet von polizeilicher Repression, Überwachung und der öffentlichen Aufwertung des Militärischen durch öffentliche Gelöbnisse, Senatsempfänge und nicht zuletzt die entsprechenden Investitionen (z.B. Tamm-Museum).
Hier hat man es also mit einem abgrundtiefen Fall von Bevölkerungsverachtung durch und für staatlich organisierte Profitsteigerung zu tun. Das ist schlicht und schlecht rechte Politik.
Vernünftigerweise läßt man sich deshalb von den Appellen an die Tugendhaftigkeit des Kapitals und wohlbetuchter Bürger nicht verwirren.
Humanität ist eine produktive Tätigkeit der Mehrheit für die Mehrheit. Unbeirrtes Engagement für die gesellschaftliche Durchsetzung einer sozial vernünftigen Kultur und Politik - z.B. für öffentlich bedarfsgerecht finanziertes, gebührenfreies Lernen und Lehren in demokratischen Institutionen und mit sozialer und ziviler Orientierung - ist deshalb ratsam.
Der Bürgermeister erwägt den baldigen Rückzug aus der Politik. Die Entscheidung sollte ihm durch entsprechende Proteste nachdrücklich erleichtert werden.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 15. Februar 2010, http://www.harte--zeiten.de/artikel_938.html