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Der Rote Stuhl Nr. 4
Beschleunigen statt bremsen
„Die Juso-Hochschulgruppe begrüßt, dass bundesweit eine Protestwelle entstanden ist, die Politik und Hochschulen darauf aufmerksam macht, dass Bildungspolitik viel zu lange Sparpolitik war. (...) Diese Unzufriedenheit der Studierenden muss ernst genommen werden und zu einer Auseinandersetzung über eine richtige Bildungspolitik führen!“
„Resolution“ der Juso-Hochschulgruppe Uni Hamburg, http://www.jusos-unihamburg.de/downloads/resolutionjusohsg.pdf
Wir wissen ja, wir sollen uns in die Gespräche der Erwachsenen nicht einmischen. Aber wäre es nicht schade? - Hier also haben wir den huldvollen Segen der „Jusos“ für die studentischen Proteste. „Der“ Politik signalisieren sie, die Proteste seien ernst zu nehmen. Die „Protestwelle“ grüßt zurück und lehnt die freundliche Vermittlung dankend ab. Wer gebeugt am Katzentisch des Establishments mümmelt, sollte nicht so tun, als sei er Familienvorstand. Ohnehin ist die Orientierung auf den „Herrn im Hause“ etwas unzeitgemäß, aber dazu später.
Die Auseinandersetzung um „die richtige Bildungspolitik“ ist übrigens schon da. Es geht dabei nicht um simple Sparpolitik, die zudem besser Politik zur Abwicklung sozialer Errungenschaften oder zur Zerstörung der Kultur genannt würde. Die Bewegung richtet sich gegen die Ökonomisierung der Bildung und die rücksichtslose Anwendung des Menschen für privat-wirtschaftliche Interessen. Hinterm Rathaus steht die Handelskammer. Liebe „Jusos“, man kann nachsehen, prüfen, Zusammenhänge erkennen.
Die „Protest“-Bewegung ist für kritische, solidarische und emanzipatorische Bildung und Wissenschaft für eine bessere Welt. Deshalb geht es zwar auch um bedarfsgerechte, öffentliche Finanzierung der Hochschulen anstelle von Studiengebühren, Sponsoring und Drittmitteln, aber vor allem um lebendige, solidarische und couragierte soziale Interessenvertretung von der Mehrheit für die Mehrheit an den Hochschulen und drumherum.
Die bestehende Ordnung ist nicht zu reparieren, sondern zu überwinden. Das ist im Großen und Ganzen Opposition.
Opposition ist nicht das dringende Bedürfnis, Kalif zu sein anstelle des Kalifen oder: Kniebeugen vor dem wirtschaftsfrommen Hochschulrat, rechthaberisches Mitwürgen bei der Verwendung von Studiengebühren und die Larifari-Modifizierung desaströs gescheiterter Studiengänge. Nachdem die „Jusos“ im letzten Semester nach Selbstauskunft „die letzten [waren], die Frau Auweter-Kurtz stützen“ und nun aktiv die putschistische Einsetzung von Dieter Lenzen als Uni-Präsident betrieben haben, wollen sie diesen Akt jetzt als „demokratisches Verfahren“ verkaufen, weil er im Einklang mit den Gesetzen stehe. Ist jede Schweinerei legitim, wenn sie nur im Rahmen der Ordnung veranstaltet wird?
Die lieben Jungs und Mädels von Nebenan sind also Verteidiger der alten, kaputten Ordnung. So sollen wir uns belehren lassen: „eine grundsätzliche Diskussion über die Bildungspolitik des schwarz-grünen Senats [sei] einer teilweise haltlosen Vorverurteilung von Lenzen vorzuziehen“ (ebd.). Die Denunziation der fundierten Kritik ist ein devotes Aufsteigerkonzept.
Es lohnt, zur Kenntnis zu nehmen, daß der neoliberale Dompteur Lenzen sowohl im Dienste der Metallarbeitgeber (Rüstung!) steht als auch der Wunsch-Unichef der CDU ist. Auch deshalb ist er keine akzeptable Leitung für die Universität, die gewiß keine weiteren Erfahrungen mit wirtschaftsnahen Konservativen braucht, sondern eine zügige Rekonstruktion sozial vernünftiger Kooperation. Denn die Uni Hamburg muß und kann aktiv an der humanen Überwindung der gesellschaftlichen Krise und ihrer ökonomischen, politischen und kulturellen Ursachen und Verursacher mitwirken.
Wirkliche JungsozialistInnen, linke Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und Freunde des solidarischen Kampfes für Reformen sind beim Engagement dafür mit von der Partie.
Mit dieser Orientierung: Vorwärts!