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Organisierte Menschenverachtung: Die FDP in der Regierung

,,Mein Vater war Berufssoldat. Da war nichts mit Villa Kunterbunt. Bei uns war immer aufgeräumt. Gegessen habe ich als Kind im Offizierscasino, das gegenüber unserer Schule lag. Die Beziehung zu meinem Vater war immer liebevoll, aber er hat viel Wert auf Eigenverantwortung und Selbstdisziplin gelegt. Als Schlüsselkind, wie das in den 70er-Jahren hieß, lernt man das aber von ganz allein.“
Philip Rösler (FDP), Gesundheitsminister in der Bild am Sonntag, 1. Nov. 2009.

Philip Rösler ist ein braver Untertan; das qualifiziert ihn heute zum Gesundheitsminister. Durch Privatisierung und Kommerzialisierung von Pflege und Gesundheit soll er Versicherungs- und Pharmakonzernen profitabel Auftrieb geben. Die Einführung einer Kopfpauschale, die Steigerung des ,,Arbeitnehmeranteils“ für den Versicherungsschutz und das Einfrieren des ,,Arbeitgeberanteils“ sind die angekündigten Schritte dahin.
Zur Legitimation des geplanten Sozialabbaus bemühen sich die Liberalen, Erkrankungen zu individueller Schuld und individuellem Versagen umzulügen. Schlechte Arbeitsbedingungen, aufreibende Hektik, Perspektivlosigkeit, sozialer und kultureller Mangel - nichts dergleichen schade demnach physisch und mental, sondern nur eigene Nachlässigkeit. Das ganze ministeriale Freiheitsgeplapper von ,,Eigenverantwortung“ und ,,Selbstdiziplin“ als vermeintlicher persönlicher Überlegenheit soll Angst vor der verschärften Konkurrenz schüren und zur Beteiligung am Gebolze anhalten. So sollen die vorhandenen und neu zu entwickelnden Ansprüche an ein solidarisches (Gesundheits-)System niedergedrückt und bescheiden werden: Medizin bleibe Reparaturbetrieb zum Erhalt und zur Widerherstellung der Marktfähigkeit des Menschen. Die individuelle Kapitalismustauglichkeit sei der Maßstab der Gesundheit. Dieser gesellschaftliche Zynismus macht selbst millionenfach krank und kann tödlich sein. Kein Mensch ist oder wird rein individuell gesund.
Die sozialen Bedingungen und Beziehungen sind wesentlich für das psychische und physische Wohlbefinden. Solidarität in den sozialen Systemen wie im persönlichen Umgang ist stets heilsam. Begründete Hoffnung auf Verbesserungen ist meist die Grundlage der Genesung.
Gegen die rabiate kommerzielle Zerstörungsabsicht muß deshalb gekämpft werden: Für eine flächendeckende Versorgung in Stadt und Land und öffentliche Polykliniken, die interdisziplinär und kooperativ medizinische Hilfe realisieren. Dafür sind die privatisierten Krankenhäuser schnell zu rekommunalisieren. Das medizinische Personal muß entlastet und kontinuierlich wissenschaftlich qualifiziert werden. Ein gleicher Versicherungsschutz für alle auf höchstem Niveau ist durchzusetzen, damit Gesundheit keine Frage des Einkommens ist. Den Pharmakonzernen ist mit einer Arzneimittelpreisbindung ein Machtmittel aus der Hand zu schlagen. Die humanistische Überwindung einer vorwiegend technisch-entfremdeten Medizin muß wissenschaftlich und politisch erkämpft werden, sie ist Teil der gesellschaftlichen Alternative.
Oppositionell engagierte Aufklärung für soziale Verbesserungen - in und aus den Hochschulen - kann und sollte dazu beitragen, die liberale Negation des gesellschaftlichen Menschseins prinzipiell zu überwinden.
Der Kampf für Gebührenfreiheit ist ein wesentlicher Beitrag dazu.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 9. November 2009, http://www.harte--zeiten.de/artikel_903.html