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Zum Geleit XLIX

Keine schlafenden Hunde wecken
oder
Der Pfad der Tugend

1) Bescheidenheit

„Ich plädiere für Bescheidenheit der Politik. Wir, die wir hier in Berlin sitzen und Politik machen, dürfen unseren Lebensstil nicht mit dem Leben der meisten Bürger verwechseln. Es ist völlig in Ordnung, dass die Mehrheit der Bürger sich nicht nur für Politik interessiert, sondern sich auch um die Arbeit, die Liebe, die Familie, die Kinder, den Sport oder die Freunde kümmert. Ein Land, dessen Bürger von morgens bis abends an Politik denken – das wäre furchtbar. Umgekehrt gilt das übrigens auch. Ein Land, dessen Bürger gar nicht an die Politik denken, ist keine Demokratie.“

Bundesarbeitsminster Olaf Scholz (SPD) im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“), 12.4.2009, S. 4.

Das Raumschiff der Regierung schwebt über Berlin.
Der Minister wünscht sich, daß der Bürger arbeitet, sich um seine Familie kümmert, sich für die Arbeit wieder erholt, seine Steuern zahlt und die Partei des Ministers wählt.
Üb' immer Treu und Redlichkeit.

2) Das protestantische Original

„Johann Buddenbrook führte seine Tochter schweigend hinaus. Er selbst aber kehrte noch einmal zurück, schritt auf Herrn Grünlich zu, der, die Hände auf dem Rücken, am Fenster stand und in den Regen hinausstarrte, berührte sanft seine Schulter und sprach leise und mahnend: ›Fassen Sie sich. Beten Sie.‹“

Thomas Mann, „Buddenbrooks. Verfall einer Familie“, Vierter Teil, Neuntes Kapitel, 1901, html.

Der Betrüger, Heiratsschwindler und Bankrotteur Bendix Grünlich hat alles verwirkt und ist kläglich gescheitert.
Seine Gläubiger pochen unerbittlich mit hartem Knöchel an die schön verzierte Tür.
Der schöne Schein ist verschwunden. Johann Buddenbrook rät zum Beten.
Es ist wie im richtigen Leben.

3) Zwei Seiten des Sozialen

„Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon -
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?“

Bertolt Brecht, „Fragen eines lesenden Arbeiters“, „Svendborger Gedichte“, 1939.

Die Welträtsel zu lösen, ist nicht zuletzt die Aufgabe der Wissenschaften. (Schleier zu verhängen, ist dagegen derzeit die hochdotierte Tätigkeit des Herrn Professor Sinn.) Die Dichtkunst liefert zuweilen komprimierte sachdienliche Hinweise.
Die Verallgemeinerung des Wissens ist in der Tat eine praktische Angelegenheit.

4) Umstände des Denkens

„Wenn der Braten schlecht war, disputierten wir über die Existenz Gottes.“

Heinrich Heine, „Aus den Memoiren des Herren Schnabelewopski“, Kapitel IX, 1834, html.

Also: Der Braten muß gut sein.
Arbeiten wir daran.

Veröffentlicht am Montag, den 13. April 2009, http://www.harte--zeiten.de/dokument_889.html