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Zum Geleit XLIV

Schlicht und ergreifend: Aus der Geschichte lernen

1) Ab und auf I

,,Das neue Jahr ist vor der Türe, und wenn das alte Jahr sich nicht bald fortmacht, so würde ich es herausschmeißen; es ist eines der miserabelsten Jahre gewesen. Ich hoffe, daß das neue Jahr besser sein wird, und gratuliere Dir zu seiner Eröffnung.“
Heinrich Heine an Betty Heine, Paris, den 30. Dezember 1855.

Der Mensch lebt nicht ohne Hoffnung. Das Neue ist meist bzw. bestenfalls mit dem Anspruch auf Besserung verknüpft. Wer sich nicht hinters Licht führen läßt, kann diese Verknüpfung Tat werden lassen.

2) Was ist zu lernen?

,,Haben Sie Ohren, Herr Professor? Dann hören Sie, wie es gewesen ist. Und pfeifen Sie auf die Lügen der Offiziellen. Und sagen Sie Ihren Zeitgenossen, wie es ausgesehen hat in der deutschen Kriegsmarine und im ganzen Heer und in ganz Deutschland - und was der einfache Mann gelitten hat und was der komplizierte, gerissene Mann gesoffen und verdient hat - sagen Sie es! sagen Sie es! Damit die Menschen lernen. Damit sie sich von Ekel geschüttelt abwenden. Damit sie ihre Kinder in der Gesinnung des Friedens aufziehen und nicht verkommen lassen als uniformierte Akademiker, als Richter dieser Qualität, als Offiziere dieser Beschaffenheit.“
Kurt Tucholsky, ,,Wie war es-? So war es-!“, 1928.

Das Nein ist ein Ja. Der Krieg ist - allen Eiferern zum Trotz - nicht menschenwürdig. Eine Welt ohne Ekel ist eine Welt des Genusses.

3) Ab und auf II

,,Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.“

Bertolt Brecht, Schlußchor des ,,Schweyk im Zweiten Weltkrieg“, 1943.

Oben und Unten sind vergängliche Relationen. Ist die Ehrfurcht vor dem Oben geschwunden, gibt es kein Unten mehr. In aufrechter Haltung entstehen neue Sichtweisen, Handlungen und Strukturen. Dem Menschen genehm.

4) Die Nacht zum Tage

,,In einem Zeitalter, dessen erbarmungslose Sucht nach dem Neuen und endloser Neubewertung von allen Seiten unablässig Druck erzeugt, bleiben noch die Nächte. Die Nacht bereichert den Geist und lässt uns nach der täglichen Angst vor dem Blick nach vorn einen erfreulichen Blick in die Vergangenheit tun.“
Sir Peter Ustinov, ,,Nachtgedanken“, 1995.

Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da... Das ,,Neue“ als der hysterische Quartalsbericht (Sektkorken), die Kennziffer, die neueste Mode oder Waschmittelreklame trägt etwas bänglich Geschichtsloses oder die ständige Angst, zu versagen.
Der Blick zurück nach vorn läßt bislang ungeahnte Möglichkeiten entstehen. Heiter.

Veröffentlicht Juni 2008, http://www.harte--zeiten.de/dokument_888.html