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Zum Geleit XLIII

Mit den Hunden bellen oder sich den Zeitläuften stellen?

1) Selbstschädigender Eskapismus

,,K.o.-Saufen nimmt zu
Die Entwicklung beim Alkoholkonsum bei jungen Menschen ist nach dem jüngsten Drogenund Suchtbericht der Bundesregierung besorgniserregend. Das vorsätzliche Betrinken hat bei Jugendlichen demnach stark zugenommen. 2005 gab ein Fünftel der befragten Jugendlichen an, mindestens ein Mal im Monat fünf oder mehr alkoholische Getränke hintereinander getrunken zu haben. 2007 waren es bereits 26 Prozent.“

,,tagesschau.de“, 05.05.2008.

Wer die Jugend mit ihren derzeitigen Sorgen respektive den verstellten Hoffnungen ernst nimmt, weiß, wie es mit uns allen bestellt ist. Wer nicht weiter sieht als bis zum nächsten Tag, bleibt immer am Tage verhaftet und gerät leicht auf (kollektive Abwege. Mutig ist nicht, lediglich pragmatisch zu sein. Bachelor und Master gehen allen auf die Nerven.

2) Noch so ein Gift

,,Die Kehrseite der Anpassung ans Unerträgliche ist die Verschrobenheit. Man hat Riten der Absonderung entwickelt, man scheut nicht den Ruf eines Menschenfeinds. Spleen heißt jene ausgeklügelte Form der Narrheit mit ihrem starken Beischuß von Grausamkeit.“
Peter Hacks, ,,Zur Romantik“, ,,Englisches Herkommen“/Ein romantischer Autor ist ein Autor, der die englische Literatur gelesen hat“, 2000.

Drogenhaft ist allenfalls auch die Literatur, die den Arzt in ,,Immer Ärger mit Harry“/The trouble with Harry“ (1959, Alfred Hitchcock), laut lesend durch die sommerliche Natur wandelnd, über die Leiche stolpern läßt, freilich ohne sie wirklich zu bemerken.

3) Produktive Anregungen

,,Dem Herren in der Wüste bracht
Der Satan einen Stein
Und sagte: Herr, durch deine Macht
Laß es ein Brötchen sein!

Von vielen Steinen sendet dir
Der Freund ein Musterstück,
Ideen gibst du bald dafür
Ihm tausendfach zurück.“

Johann Wolfgang v. Goethe, ,,An Schiller/mit einer mineralogischen Sammlung“, Lyrische Dichtungen, Weimar 1794-1797.

Kleine Felsbrocken sind nicht nur etwas Handfestes, sondern auch - den Zusammenhang geistiger Kooperation vorausgesetzt - Sendboten weiterer Erörterungen.
Wenn ein Problem vorhanden ist (es ist stets gemacht), können in jedem Fall Lösungen gefunden werden.

4) Unweigerliche Einmischung

,,Von Natur neige ich mich zu einem gewissen Dolce far niente, und ich lagere mich gern auf blumige Rasen und betrachte dann die ruhigen Züge der Wolken und ergötze mich an ihrer Beleuchtung; doch der Zufall wollte, daß ich aus dieser gemächlichen Träumerei sehr oft durch harte Rippenstöße des Schicksals geweckt wurde, ich mußte gezwungenerweise teilnehmen an den Schmerzen und Kämpfen der Zeit, und ehrlich war dann meine Teilnahme, und ich schlug mich trotz den Tapfersten ...“
Heinrich Heine, ,,Über die französische Bühne. Vertraute Briefe an August Lewald“. 1838. Neunter Brief.

Die Melancholie ist die Schwester des Himmelschauens, und beide gehören sie zur Familie der gefühlvollen Ich-Verlorenheit, die dem Kriege so leicht gewogen macht.
Das kleine Ego wird schnell vom ,,Großen und Ganzen“ (,,Du bist ...“) verschluckt.
Kritische Wachsamkeit vermeidet so manchen Rippenstoß.
Mit ehrlicher (An-)Teilnahme ist das Beste getan.

Veröffentlicht Mai 2008, http://www.harte--zeiten.de/dokument_887.html