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In Erwägung:

Oberst Sachzwang?

Zur Kontroverse über das Bachelor- und Master-System

,,In dem Bewußtsein, daß das Recht auf Bildung ein Menschenrecht ist und daß die Hochschulbildung, die dem
Streben nach Wissen und der Förderung des Wissens dient, sowohl für den einzelnen als auch für die Gesellschaft
ein außergewöhnlich wertvolles kulturelles und wissenschaftliches Gut darstellt;
in der Erwägung, daß der Hochschulbildung eine wesentliche Rolle bei der Förderung des Friedens, des gegenseitigen
Verständnisses und der Toleranz sowie bei der Schaffung gegenseitigen Vertrauens zwischen den Völkern und
Nationen zukommen soll;
in der Erwägung, daß die große Vielfalt der Bildungssysteme in der europäischen Region deren kulturelle, gesellschaftliche,
politische, philosophische, religiöse und wirtschaftliche Vielfalt widerspiegelt und ein außerordentliches
Gut darstellt, das es in vollem Umfang zu achten gilt; [...] sind wie folgt übereingekommen:“

Lissabon-Abkommen der EU-Bildungsminister, 11.04.1997; Bundesgesetz seit 16.05.2007.

Geistig-politische Quellen dieser Erklärung sind die europäische
Aufklärung und der internationalistische zivilisatorische
Anspruch der Vereinten Nationen. Frieden,
Kooperation und persönliche Entfaltung als Leitbild
wissenschaftlicher Bildung und Entwicklung sind gewollt.
Mitnichten Devotion vor der ,,freien“ Wirtschaft
bzw. deren Zugriff auf Wissenschaft und Mensch, das
Hecheln nach Leistungs-Punkten, der Terror permanenter
Prüfungen, die technische Kontrolle der Lernenden,
bürokratische Aufblähung - und was uns ,,Bologna“
noch alles gebracht hat.
Allerdings verlangen dies in allen europäischen Ländern
die Verbände der großen Unternehmen, hier z.B.
die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
(BDA): ,,Im Hochschulstudium geht es vor allem
darum, die Absolventen optimal auf eine spätere Berufstätigkeit
in Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft
vorzubereiten.“
(Memorandum zur gestuften Studienstruktur,
2003.) Zu lernen sei, sich an ständig wechselnde
Forderungen ,,des Arbeitsmarktes“ ,,flexibel“ und
,,eigenverantwortlich“ anzupassen. Das ökonomische
Leitbild des ,,Arbeitskraft-Unternehmers“ verschleiert
kaum, daß die Mehrheit sich lediglich zu Markte tragen
soll, damit eine gesellschaftliche Minderheit ,,wissensgestützt“
immense Profite einfahren kann.
Das hierfür geschaffene Dressur-System, landläufig
,,Ba/Ma“, ist kulturell deformierend, weil es den Menschen
in seiner geistig-kulturellen Entwicklung der ökonomischen
Verwertung unterwerfen soll. Von der Aufstiegsbereitschaft
sei die gesellschaftliche Geltung des
Einzelnen abhängig. Lernen gerät so oft von einer potentiellen
Entfaltungstätigkeit zu einer angstgetriebenen
Selbstrestriktion. Das ist nicht akzeptabel. Überall in
Europa regt sich dagegen Opposition, auch in Hamburg.
Senatorin Gundelach (CDU) will nun bis Weihnachten
mit den Hochschulleitungen ein Programm erarbeiten,
daß der Kritik die Spitze nehmen soll: mit dem Versprechen
höherer Hochschuletats, gemilderter Anforderungen
(,,Studierbarkeit“), durch Ausweichen (Tutoren/
Mentoren/E-Learning) und fortgesetzte Marktnähe (beispielsweise
der ,,Praxiszeiten“ und ,,Berücksichtigung
des BDA-Kriterienkatalogs >Berufsbefähigung<“), die
konzeptionell eine geistige Verarmung einschließt. Das
zeigt: Die wirtschaftshörige Hochschulpolitik ist in Not.
Die Durchsetzung kritischer Wissenschaften bzw. humanistischer
Erkenntnistätigkeit, von produktiver Muße
und solidarischem Lernen, von emanzipatorischen Ansprüchen
der Völkerverständigung, sozialen Fortschritts,
anregender Kultur, ökologischer Verantwortung
und demokratischer Verfügung ist Aufgabe und
Potential auch der Hochschulen respektive ihrer Mitglieder.
Restriktive Prüfungsordnungen, bürokratische
Lehrplanung und eine computerisierte Überwachung
dagegen sind nicht Sachzwang, sondern politisches
Menschenwerk.
Dieses ist weiterhin - menschlich - zu bekämpfen.

Memorandum der BWF und der Hochschulen

V.i.S.d.P.: Olaf Walther, Golnar Sepehrnia & Christian Sauerbeck, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: FachschaftsBündnis - Aktive für demokratische und kritische Hochschulen,
harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
und Liste LINKS - Offene AusländerInnenliste . Linke Liste . andere Aktive
Veröffentlicht am Sonntag, den 16. August 2009, http://www.harte--zeiten.de/artikel_876.html