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Zwang, Züchtigung und sogenannte Zuwendung
,,Dr. Borsig: Es ist eine meiner Erfahrungen, daß nichts mehr bindet als großes Vertrauen in einer sehr heiklen Sache.
Söntgen: Meiner Erfahrung nach bindet nur Geld — oder Mitschuld.
Dr. Borsig: Aber es gibt Leute, die man noch fester bindet, indem man ihnen Gelegenheit gibt, sich nicht schuldig zu machen.
Söntgen: Haben Sie ihm sehr viel Geld gegeben?“
Heinrich Böll, ,,Zum Tee bei Dr. Borsig“, Hörspiel, 1955.
Herlind Gundelach, die Senatorin ,,für“ Wissenschaft und Forschung, hat einen Gesetzentwurf zur Überarbeitung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) vorgelegt. Zu diesem ,,Wissenschaftsförderungsgesetz“ können die Hochschschulen (gemeint sind die Präsidien, Hochschulsenate und Fakultätsräte) nun Stellung nehmen.
Die Systematik der juristischen Novelle weist schein-modern direkt in den restaurativen Mief der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts:
Die Behörde will nun auch gesetzlich eine enge Bindung der Wissenschaften an ,,die Wirtschaft“ institutionalisieren. Zusätzlich zu ihrem Einfluß im Hochschulrat sollen Unternehmensvertreter bei Berufungen und in neu geschaffenen ,,Einrichtungen mit ,,Entscheidungsorganen“ zum ,,Wissens- und Technologietransfer“ universitäre Angelegenheiten direkt mitbestimmen können.
Der nach der Einsetzung der Schwarz-Schill-FDP-Regierung 2001 eingeschlagene Weg der technokratisch-marktmäßigen Zurichtung von Studium, Lehre, Forschung und Selbstverwaltung soll durch die Beibehaltung von Studiengebühren und die Verfestigung des restriktiv zweigestuften Bachelor-Master-Modells weiter beschritten werden.
Für die Durchsetzung einer autoritär kommerziell orientierten Kommandostruktur sollen vermeintliche Lücken des Gesetzes, die demokratische Partizipation relevant ermöglichen, ,,geschlossen werden“. Insbesondere die Dekane der Fakultäten sollen vom Präsidium ernannt statt in den Fakultäten gewählt werden. Dies ist angesichts der aktuellen Auseinandersetzung zwischen der Fakultät für Geisteswissenschaften, die bewußt einen Dekan gewählt hat, der der kommerziellen Zurichtung der Hochschule kritisch gegenüber steht, und dem Präsidium, das ihn nun auf Teufel komm raus nicht berufen will, besonders ablehnenswert.
Denn: Die Universität ist kein Kasernenhof, Gehorsam war noch nie ein guter Grund zu lernen und humaner Fortschritt ist nur in Kontrahenz zu den Verwertungsinteressen des Kapitals zu erringen. Die Gegner (und Gegnerinnen) dieser Einsichten sind schwer belehrbar, auch sind sie in dogmatischer Phraseologie erstarrt (,,Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit“).
Die Ergebnisse der ,,Uni-bleibt!“-Kampagne (12.000 Unterschriften) sowie der Ur-Abstimmung gegen Studiengebühren bzw. für Gebührenfreiheit im Studium (97 Prozent von 8.432 Studierenden mit einem Votum gegen das Bezahl-Studium) zeigen die organisierte Vernunft gegen das Dogma des Marktvertrauens.
Aufklärung und kulturelle Emanzipation als Orientierung für wissenschaftliche Arbeit und gesellschaftliches Engagement können also mit neuer Dynamik zur Geltung gebracht werden. Bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung von Wissenschaft und Bildung, Gebührenfreiheit!, eine zügige Beseitigung des BaMa-Monsters und seiner strengen STiNE-Assistentin, echte demokratische Partizipation und gesellschaftskritische Wissenschaften sind Forderungen für eine Universität, die nicht Teil der Krise ist, sondern Teil ihrer Lösung.
Der Mensch ist kein Zinnsoldat. Solidarität bricht Willkür. Das Argument ist die beste Waffe.
Es ist ein Semester der Entscheidungen für wahrhaft Neues.