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Von der Gegenwehr zur Perspektive
,,Dafür hat der Reserve-Oberstleutnant an der Spitze der Commerzbank vorgesorgt: »Im Rahmen der militärisch-zivilen Zusammenarbeit ist einer unserer Mitarbeiter im Range eines Majors d. R. einer von drei Offizieren des Kreis-Verbindungskommandos Frankfurt, das bei Krisen die Unterstützung der Bundeswehr für die Stadt Frankfurt koordiniert.«
So zahlen wir mit unseren 18,2 Milliarden auch dafür, dass wir von der Bundeswehr erschossen werden, wenn wir im Fall der verschärften Krise zum Bankschalter rennen, um das Geld abzuheben, das wir einmal bei der Commerzbank eingezahlt haben - leichtsinnigerweise.“
Otto Köhler, ,,Beim Geldabheben - erschossen?“, Wochenzeitung: Der Freitag, 14.05.2009.
Kapitalismus und Militarismus gehen Hand in Hand. Dies ist - nicht nur in Deutschland - eine geschichtliche Erfahrung und eine gegenwärtige Tatsache. Der Kanzlerin-Berater und Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, ist Offizier der Reserve. Er hat - siehe oben - erstaunliche Phantasien für den Fall, daß sich der Unmut der Bevölkerung auch handgreiflich gegen die Verursacher der Krise (Schwerreiche, Großkonzerne und vor allem Großbanken) entladen sollte.
Er unterschätzt allerdings die zivilisierende Kraft aufgeklärter sozialer Bewegungen. Es ist unwahrscheinlich, daß er mit seinen Bürgerkriegsgelüsten je zum Zuge kommen wird. Wahrscheinlich, nein sicher ist aber, daß nichts so bleiben kann, wie es ist. Der überbordende Reichtum einer internationalen Kleinstgruppe ist's, der die Armut, den ökonomischen Drang zur kriegerischen Expansion und somit die Krise schafft. Die Forderung nach sozialer Gleichheit ist neu auf Tagesordnung gesetzt. In diesen Zusammenhang sind auch die großen Demonstrationen der europäischen Gewerkschaften einzuordnen. Sie hatten für den 14.-16. Mai zu Aktionstagen aufgerufen, in deren Verlauf Millionen Bürgerinnen und Bürger der korrupt und bürokratisch deformierten Europäischen Union für sozialen Fortschritt und gegen die rücksichtslose Bereicherung der Krisenverursacher auf die Straßen gegangen sind. In Berlin demonstrierten am Samstag 100.000 Menschen aus Gewerkschaften, Friedensbewegung, linken Parteien sowie SchülerInnen, Studierende und Erwerbslose. Die Redner aus den ,,höheren“ Etagen der Gewerkschaften kamen allerdings über defensive Schlagworte und Forderungen nach kleinen Reperaturen am Kapitalismus (,,Mindestlohn“, ,,soziale Demokratie für Europa“, ,,gleiche Rechte für Kapital und Arbeitnehmer“ - das Recht auf Ausbeutung für alle?) nicht hinaus. Bescheidenheit führt jedoch nicht aus der Krise. Die Demonstrierenden haben hingegen auf zahlreichen Bannern, Flugblättern, mit Parolen und Aktionen weitreichende Forderungen gestellt: sofortige Beendigung der Kriegseinsätze, Abrüstung, Stop von Rüstungsexporten und internationale Solidarität; gebührenfreie Bildung für Alle; Verstaatlichung der großen Banken, eine wirkliche Demokratisierung der Wirtschaft, Steigerung der Reallöhne, Senkung der Arbeitszeit. Wenn Sorgen und Unmut gedanklich rationalisiert werden, ist viel Gutes zu bewirken.
Unternehmen, Hochschulen, Schulen oder Krankenhäuser können schwerlich von gesellschaftlichen Eliten allein betrieben werden. Ihre Herrschaft ist kein quasi-natürlicher Sachzwang, sondern ein soziales Verhältnis zwischen kapitaler Minderheit (bzw. ihren dienstbaren Vasallen) und der Mehrheit. Solidarität im Kampf gegen die Übel und ihre Urheber schafft dagegen die Perspektive eines wachsenden, bewußten Einflusses der Mehrheit auf die eigene Zukunft. Die Urabstimmung für Gebührenfreiheit (96,8 Prozent für ,,Ja“) ist ein neuer Anstoßfür eine zivile, kooperative, entwicklungsoffene Universität und Gesellschaft zu kämpfen. Wenn die Rohheit von den gewinngierigen Geschäften ausgeht, dann müssen sie eben beendet werden. Wo argumentiert wird, wird nicht geschossen.