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Stabilität oder Das böse ,,Un-“
,,Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht dank der sozialen Sicherungssysteme keine Gefahr von Unruhen wegen der Wirtschaftskrise. »Es wird auch jetzt niemand in materielle Existenzbedrohung kommen«, sagte Schäuble im Fernsehsender N 24. Die Politik habe die Krise zwar nicht verhindern können, »aber wenn die Politik das tut, was sie kann, dann muss es nicht zu Unruhen kommen«.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, ,,Eine Gefahr für die Demokratie“, 24. April 2009.
Wann ist eine Existenz bedroht? Muß ein Mensch Hungers sterben? Ist es im 21. Jahrhundert, in einer der reichsten und produktivsten Nationen der Welt, nach den Erfahrungen von Weltwirtschaftskrise, Faschismus und Weltkrieg erforderlich, die Grenzen des Menschen Zumutbaren auszuloten?
In der politisch-ökonomischen ,,Elite“ der Republik entspinnt sich hierüber ein Kontroverse:
Die Bundespräsidentschaftskandidatin der SPD, Gesine Schwan, und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, haben in der vergangenen Woche vor ,,einer explosiven Stimmung“ und ,,sozialen Unruhen“ gewarnt. Ihre Äußerungen sind nicht eindeutig: Ist der Unmut der Bevölkerung oder die Politik der Verteidigung exorbitanter Profite das Problem?
Eindeutig ist aber, daß sich Kapital, Konservative und Liberale kräftig auf den Schlips getreten fühlen. Schon der milde Hinweis auf die unerträgliche soziale und kulturelle Degradierung der Mehrheit gilt ihnen als unlautere Einführung von ,,Kampfbegriffen“ (DIHK-Präsident Driftmann) oder ,,wahltaktisches Manöver“ (Arbeitgeber- Chef Hundt). Ruhe bewahren sei des Bürgers erste Pflicht. Diese Politik stützt sich neben der sozialen Drangsalierung immer auch auf Bajonette. In dieser Tradition steht Bundesüberwachungsminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Die ,,Demokratie“, die er beschwört, kennt (außer für ,,Ausländer“, ,,Kriminelle“, ,,Verrückte“ und ,,Kommunisten“) zwar die formale politische Gleichheit und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, aber bereits das erkämpfte Erfordernis sozialstaatlicher Sicherungen der Mehrheit widerlegt, daß man es mit einer menschenwürdigen Gesellschaft zu tun hätte. Rücksichtslose Gewinnsucht einer marktradikalen Minderheit, Abbau von Sozialstandards, steigende Erwerbslosigkeit, kommerzialisierte Bildung und Kultur, ein rauher Alltag und eine sinnentleerte Freizeit - das gehört alles zum Kapitalismus, auch mit parlamentarischem Antlitz.
Vorhandener Unmut, bzw. sich entwickelnde Unruhe, hat also ihren Anlaß und Grund in einer harten gesellschaftlichen Realität.
Es ist ein erheblicher kultureller Gewinn, wenn sich vermehrt nicht mehr selbst und seines Gleichen die Schuld für die tägliche Unbill gegeben wird. Die großen gesellschaftlichen wie die allermeisten kleineren Probleme haben ihre erkennbare Ursache in der gesellschaftlichen Herrschaft der großen privaten Geschäfte.
Wenn dieses Übel zum Gegenstand gemeinsamer Kritik und perspektivreicher Aktionen für seine Überwindung wird, wenn Forderungen für eine soziale Umgestaltung der Lebensverhältnisse gestellt und verfolgt werden, wenn Ängstlichkeit der Widerständigkeit weicht, dann ist die Stabilität des Kapitalismus gefährdet. Mehr aber auch nicht.
Sinngebende Arbeit (auch durch und in Bildung und Wissenschaften), ein kooperative Entwicklung, ein belastbares Zusammenleben, die Verbindung von Ernst und Freude können gedeihen. Seien wir unzufrieden!