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Erlöse uns von der Masse,
Der Hamburger Rechtssenat setzt den Hamburger Universitäten die Pistole auf die Brust. In einer gemeinsamen 'Absichtserklärung', einem 'Letter of Intent' sollen sich Hamburgs Universitäten der Zurichtung auf wirtschaftliche Verwertbarkeit verpflichten. Die Universitäten sollen in Zukunft "selbst marktorientiert handeln" und sich bereit erklären, "Abstriche vom [...] breiten Angebot der Hamburger Hochschulen in Kauf zu nehmen." Dafür sollen 'unrentable' Studiengänge und Forschungsbereiche ("Geschäftsfelder") dichtgemacht werden. Das nennt sich dann 'Schwerpunktbildung', und dient der ausdrücklich gewünschten "Exzellenzförderung".
Hamburgs Hochschulen werden in Konkurrenz zueinander gesetzt, denn jetzt ist jede Uni gefordert, dem Senator Dräger zu beweisen, dass man erhaltenswerte "Leistungsfelder" im Angebot hat, damit sie mehr Kohle kriegt - und nicht die anderen! Eine Expertenkommission soll dies prüfen und die Hamburger Universitäten bzw. ihre Präsidenten sollen sich gegenüber der Wissenschaftsbehörde verpflichten, die Empfehlungen dieser Kommission umzusetzen. Denn nur wenn dies geschieht (und das wird die Schließung einiger Fachbereiche beinhalten), erhalten die Hochschulen dafür in den Jahren 2003-2005 nicht weniger Geld als bisher - und mehr Geld gebe es sowieso nicht. All dies geschieht hinter dem Rücken der demokratisch gewählten Gremien der Universitäten, was einen Ausblick gibt, was in Bezug auf die demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten in Zukunft von der Wissenschaftsbehörde zu erwarten ist: Diese sind bei der Zurichtung von Bildung und Wissenschaft auf Marktkonformität nur hinderlich, denn wo mehr Menschen mitentscheiden dürfen, was Inhalt von Forschung und Lehre sein soll, lässt sich Rentabilität für Wenige nicht als Entscheidungskriterium verankern. Und deshalb sollen sie "mit dem Ziel größerer Entscheidungsfähigkeit modernisiert werden" - also weg damit!
Die Hochschulpräsidenten sind gut beraten, den 'Letter of Intent' nicht zu unterschreiben: die Ökonomisierung des Bildungsbereiches kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein, weil sie das Ende von Wissenschaft im Sinne humanistischer Nützlichkeit wäre. Denn selbst wenn sich die Hochschulen anstrengen würden, die Senatsforderungen zu erfüllen, wären sie angesichts von 25%iger Unterfinanzierung nicht in der Lage dazu, so dass von Seiten Drägers immer noch die Nicht-Einhaltung der Vereinbarung beklagt und auf dieser Grundlage weitere Mittel gestrichen werden können. Dem ist nur durch eine Solidarisierung Aller zu begegnen, damit es weiterhin gesellschaftlich-fortschrittliche und kritische Wissenschaft gibt. Deswegen muss gemeinsam für die demokratische Verfügung über Bildungs- und Wissenschaftsinhalte und für die Abschaffung aller sozialen Zugangsbeschränkungen gestritten werden. Bildung für Alle kann nur in einem gemeinsamen Kampf für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen geführt werden.
... wie an den Universitäten, so auch in der gesamten Stadt
Dem geheiligten Markt wird nicht nur an den Hochschulen gehuldigt, sondern er ist Leitbild für die Zurichtung und Brutalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche in Hamburg. Der Rechtsenat vollzieht einen Rundum-Kahlschlag und macht so auf dem Rücken der Bevölkerung kapitalfreundliche Politik. Sozialausgaben werden bis zum Anschlag gesenkt, mehrere soziale Einrichtungen in Hamburg mussten ihre Arbeit einstellen, öffentliches Eigentum wie der LBK (Landesbetrieb Krankenhäuser) wird verscherbelt, und soziale Probleme werden mit staatlicher Gewalt, unter der Inkaufnahme von Toten, aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt. Neben der Erpressung der Hochschulen ist der ganze Bildungsbereich von den Kürzungen des Rechtssenats betroffen. Angefangen mit der angedrohten Schließung von Berufsfachschulen und Fachoberschulen, wird ebenso bei den pädagogischen Mittagstischen wie bei der Weiterbildung gekürzt, die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ist angekündigt und ohne Diskussion um Bildungsinhalte und gesellschaftliche Folgen soll das Abitur nach zwölf Jahren eingeführt werden.
Alle, die auf staatliches Handeln (sei es im Kulturbetrieb, Jugend- und Sozialeinrichtungen, Kranke oder Arbeitssuchende) angewiesen sind, spüren den vermeintlichen 'Sparzwang' im alltäglichen Leben in der Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen. Dass Protest dagegen nicht gewünscht ist, wird an dem Versuch der Schill-Fraktion in Wandsbek deutlich, Schüler von der Teilnahme an Demonstrationen gegen den Rechtssenat abzuhalten.
Ganz nach dem Programm der Schillpartei werden Projekte zur Resozialisierung Krimineller denunziert und verhöhnt, und im schill'schen Sinne folgerichtig demnächst ein geschlossenes Heim in Hamburg errichtet. Damit befindet sich Hamburg auch in der Jugendpolitik auf dem Tiefpunkt.
Für mehr Solidarität in der Stadt!
Die Senatspolitik sorgt ganz im Sinne neoliberaler Politik für die breit angelegte Umverteilung von unten nach oben, und heizt die gesellschaftlichen Konflikte weiter an. Im brutalen Kampf um den Standort soll den Unternehmen durch drastische Steuersenkungen und Abbau von demokratischer Beteiligung der Hof bereitet werden. Der Ausverkauf des Staatseigentums und die angekündigte Privatisierung der Verwaltung würden die staatliche Institutionen vollständig handlungsunfähig machen. Den Staat und die Stadt zugunsten der Wirtschaft und zu Lasten sozial Benachteiligter gnadenlos kaputt zu wirtschaften, ist erklärtes Ziel des Rechtssenats und somit eine klare Kampfansage an alle Menschen, die auf die solidarische Absicherung eines staatlichen Sozialsystems (z. B. durch Renten, Arbeitslosengeld, Krankenversicherung, ...) angewiesen sind. Einen schwachen Staat kann sich aber nur leisten, wer selber stark genug ist, sich gegen den Rest durchzusetzen. Nur ein Ausbau von sozialer Sicherheit ist Grundlage für umfassende Sicherheit. Deshalb ist eine Bildungs- und Sozialpolitik notwendig, die es allen Menschen ermöglicht, den besten Weg für ihr Leben zu erkennen und zu gestalten, ohne ständig die Gefahr im Nacken zu spüren, dass ein Scheitern ihrer Pläne zu einem sozialen Absturz führen wird. Diese Politik muss eine solidarische und demokratische Gesellschaftsentwicklung befördern und denjenigen, die heute auf unterschiedlichste Weise diskriminiert und an den Rand gedrängt werden, eine Perspektive für ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben bieten.
Dafür ist es notwendig, dem Rechtssenat gemeinsam Widerstand entgegenzusetzen!
Der Senat soll einpacken!
Demonstration gegen Sozialkürzungen - für eine solidarische Sozialpolitik
Dienstag, 16. April 2002
Auftaktkundgebung: 16.30 Uhr, Moorweide/Bhf.Dammtor
Schlusskundgebung: ca. 18 Uhr Grossneumarkt
Ver.di und Sozialpolitische Opposition Hamburg