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Das Postulat der Perspektivlosen: Markt
Die konkrete Alternative: Mensch

„Aber gegen wen sollte sich ihr Aufstand richten? Abfindungen und Prämien waren den Managern vertraglich garantiert, und der Rechtsstaat, der die Erfüllung von Verträgen sichert, ist gewiss nicht der Gegenstand der Empörung. Auch die Führungskräfte selbst, sosehr die Schamlosigkeit ihrer Gier provoziert, sind doch bei nüchterner Betrachtung nichts als Angestellte - keine Kapitalisten, sondern nur die monströs überbezahlten Lakaien des Kapitals. Natürlich könnten Arbeiter, wie auch schon in Frankreich geschehen, einzelne Manager vorübergehend in Geiselhaft nehmen, um bessere Bedingungen für Stellenstreichungen zu erpressen. Aber eine ernsthafte Revolte, wollte sie mehr sein als Folklore, müsste sich ehrlicherweise gegen das System als solches wenden. Das aber scheint niemand zu wollen.
Das aber heißt, die Wut läuft ins Leere.“

Jens Jessen, „Wut ohne Empfänger“, Die Zeit, 2. April 2009.

Der Kommentator ist ein konservativer Liberaler. Er lehnt die ungehemmte Raffgier und die Ressentiments kleinbürgerlicher Spießer ab (was nicht ausschließt, daß er selbst einer ist). Er bedauert das mangelnde Vertrauen in die „soziale“ Marktwirtschaft und wüßte sie gerne in der „globalisierten Welt“ wieder hergestellt. Am meisten ängstigt ihn die Aussicht einer Rennaissance des Sozialismus: „Historische Erinnerung verblasst; wenn es schlimm kommt, könnte am Ende der Sozialismus wieder als die humanere Alternative erscheinen.“ (ebd.)

In der Tat, wer könnte sich Schlimmeres vorstellen als: günstiger Wohnraum, eine humane Gesundheitsfürsorge, kurze Arbeitszeiten, sozial förderliche Löhne, hohe Mobilität sowie vernünftige Bildung und Kultur für alle, politische Partizipation in allen Gesellschaftsbereichen und die demokratische Bestimmung über den Inhalt der Produktion? Sind nicht auch umfassende Abrüstung, die Einstellung aller Kriegshandlungen und kooperative internationale Beziehungen ein offenkundiges Gräuel? Wer wäre so dumm, darauf zu bauen, daß Menschen ohne (quasi-)militärische Kommandos, soziale Hierarchie und staatlich kontrollierte Sauberkeit zusammenleben könnten? Muß nicht jeder begreifen, daß eine solidarische Gesellschaft am Menschen selbst scheitern muß?

Was ein gepflegter Kulturpessimist sein will, kann gar nicht anders, als den Mitmenschen zu mißtrauen. Er hat ja sich als Maßstab und ansonsten viel Mystik anstelle eines rationalen Verständnisses gesellschaftlicher Zusammenhänge. Deshalb sei zweifelsohne davon auszugehen, daß die Kritiker von Ausbeutung, Konkurrenz und fremdbestimmter Arbeit, die Gegner der Wahrheitsverleugnung, Tatsachenverdrehung und lustig-irrationalen Medienkultur sowie jeglicher Kniebeugen selbstverständlich nur träumende Spinner sein können. Wen repräsentieren sie schon?

Nun. Sie repräsentieren nicht die Öl-Konzerne und Waffenschmieden, die mit ihrer brachialen Gewinnorientierung die Welt in die größte Wirtschafts- und Humanitätskrise der jüngeren Zeitgeschichte gestürzt haben. Auch die 122 Deutschen, die jeweils über mindestens eine Milliarde Euro Privatvermögen verfügen, haben andere Interessenvertreter. (11 Milliarden Euro sind allein in der Hand der Hamburger Familie Otto).

Es soll also Leute geben, an die die äußerst rationale Verärgerung über eine erbarmungslose Marktgesellschaft zutreffend adressiert ist.

Es soll auch schon vorgekommen sein, daß sich Menschen Besseres vorstellen können (und danach handeln), als der Doktrin zu folgen: ich kaufe, also bin ich.

Es geht sogar die Legende, daß die meisten sich einer zivilen Alltags-Kultur, sinnvoller Arbeit und entfaltungsfördernder Lebensbedingungen erfreuen können.

Man munkelt, schon der Kampf dafür ermögliche eine aufrechte Haltung.

Wie soll es also weitergehen? Markt oder Humanität?

In dieser Kontroverse liegt Musik.

Wer spielt die Melodie? Wer tanzt dazu?

Jede Handlung ist eine Antwort.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 6. April 2009, http://www.harte--zeiten.de/artikel_837.html