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“1949, 1969, 1989” - 2009? - An die Wahrheit kann man sich halten

,,Im nächsten Jahr feiern wir mit 1949, 1969 und 1989 einige der besten Jahre der deutschen Demokratie. Diese Kette von Jahrestagen nehme ich zum Anlass, die Entwicklung bis in die jüngste Vergangenheit weiterzuverfolgen.“
Frank-Walter Steinmeier, ,,Die geglückte Demokratie“, Rede beim ,,Geschichtspolitischen Forum“ der SPD, 18.09.2008.

Der Bundeskanzler ,,in spe“ stellt seinen Weg zur Kanzlerschaft als logische Konsequenz aus einer aufsteigenden Linie der Demokratie in Deutschland seit 1949 dar. Für dieses schlichte Geschichtsbild - oder eher diese ,,aufsteigende“ Geschichtspolitik - beruft er sich auch auf ein anderes Mitglied der SPD: auf den Friedensbewegten und antifaschistischen Justizreformer Gustav Heinemann (1899-1976). Letzterer wurde vor 40 Jahren, am 5. März 1969, im dritten Wahlgang mit nur 512 zu 506 Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt. Wir wollen ihn aus Anlaß dieses Jubiläums selbst sprechen lassen: ,,Es ist nicht unsere Sache, eine deutsche Beteiligung an militärischen Maßnahmen nachzusuchen oder anzubieten.“ (Denkschrift vom 13.10.1950) Gustav Heinemann hielt die von Konrad Adenauer (CDU) betriebene Politik der Westanbindung, inklusive Wiederbewaffnung und NATO-Beitritt für ein Menetekel der Bundesrepublik, zudem für einen relevanten Grund für die deutsche Teilung und für eine nicht zu duldende Geschichtsvergessenheit. Es gab nur eine Wahl:
,,Es fällt uns schwer, an eine Änderung des bisherigen Weltgeschehens mit seinem immer wiederkehrenden Kriegslärm zu glauben. Und doch: Utopie ist heute nicht mehr den Krieg zu überwinden, sondern ihn noch weiterhin für eine praktikable Möglichkeit zu halten.“ (Rede zum ,,Volkstrauertag“, 1964) Hier hat Realpolitik den Anspruch Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen.
Die ideologisierte Abscheu der ,,bürgerlich-pharisäerischen“ Politiker gegen die Perspektive gesellschaftlicher Gleichheit, erkannte der ,,Bürger-Präsident“ als politisches Treibmittel kriegerischer Absichten: ,,Antikommunismus hat uns schon einmal ins Verderben, ja sogar ins Verbrechen geführt, ... Setzen Sie an die Stelle der Erbfeindschaft gegen Frankreich nicht eine Erb- oder Todfeindschaft gegen die östlichen Nachbarn.“ Heinemann war entschiedener Gegner des KPD-Verbots, beförderte die Gründung der DKP und wandte sich gegen die 5-Prozenthürde als ,,ein häßliches Kapitel der Bonner Demokratie“. Der antifaschistische Widerstand begriff er als Quelle der (Selbst-) Erziehung einer noch zu erringenden - und entschlossen ,,zu riskierenden“ - Demokratie. Zu dieser gehörte für ihn nach den bitteren Erfahrungen mit der deutschen Restauration in den 1950ern eine scharfe Gegnerschaft zur CDU, die er beim sogleich Schlafittchen packte: ,,Erstens Geld verdienen, zweitens Soldaten, die das Geld schützen. Drittens Kirchen, die Soldaten und Geldsack segnen.“ (In jüngerer Zeit stand dieses irrationale politische Geschäft vor allem unter dem Segen der neoliberalen Freiheitsreligion: Das Versprechen ,,Wohlstand“ wurde durch noch dürftigere ,,Chancen“ ersetzt.) Der Technokrat Steinmeier hat politische und kulturelle Gemeinsamkeiten mit diesem kämpferischen Erbe bisher nicht erkennen lassen.
Aus den Äußerungen Heinemanns ergibt sich hingegen - in der überlegten Praxis - ein aktuelles, menschlich konkretes, friedfertiges, soziales und demokratisches Programm. Eine neue Zeitenwende ist auf dieser Basis möglich und nötig, so wird aus der Krise ein produktiver Zustand. Wer das vertritt, verdient Zuspruch und Zutat.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 16. März 2009, http://www.harte--zeiten.de/artikel_832.html