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Selbstverschuldet

Die SPD und die Krise

,,Die SPD-Oberen nennen ihren Spitzenkandidaten deshalb in Reden und Interviews nur noch schlicht »Frank Steinmeier«. Das soll »lebenspraktischer« sein in den bevorstehenden turbulenten Wahlkampfschlachten. Ihr Kalkül: Bis zur Bundestagswahl im Herbst wird sich die kürzere, flottere Variante schon irgendwie einbürgern. Nun kämpft Steinmeier plötzlich nicht nur für einen Wahlsieg der Sozialdemokraten - sondern auch um seinen zweiten Vornamen.“
Financial Times Deutschland, ,,Mein Gott, Walter“, 23.02.2009.

,,»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« - »Du mußt nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie.“
Franz Kafka, ,,Kleine Fabel“, Erzählungen.

Derweil in der Republik Hunderttausende in Kurzarbeit geschickt werden und um Arbeitsplätze fürchten, hat der SPD Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier eine Biographie über den marktradikalen Rambo-Rhetoriker Westerwelle vorgestellt und diesem Avancen für eine gemeinsame Regierungsbildung gemacht. Bei der Pressekonferenz zum befristeten Enteignungsgesetz zur Rettung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate beschwichtigte der sozialdemokratische Minister Steinbrück besonders harsche Marktapologeten: ,,Niemand in der Bundesregierung will (...) den staatlichen Einfluß erweitern.“
Kann aus der Krise gelernt werden?
In einer Zeit, in der gnadenloser Gewinntaumel, aufreibende Arbeitsintensivierung, die verantwortungslose Produktion von Schund sowie eine verschärfte Konkurrenz nicht nur Furcht und Orientierungslosigkeit verbreitet haben, sondern nun auch die tiefgreifende Schädlichkeit der Marktgesellschaft rücksichtslos offenbaren, fällt den Oberen der potentiell sozialreformerischen Großpartei nichts anderes ein als Wettbewerb & Werbung. Diese nicht nur fahrlässige Unbelehrbarkeit hat ihre Quelle in dem praktisch-programmatischen Kotau vor dem Neoliberalismus der 1990er Jahre. Mit der Akzeptanz der Standortkonkurrenz (als negative Alternative zu internationaler Solidarität) hat die SPD seit 1999 mehrheitlich auch die kriegerische Durchsetzung ,,deutscher“ Interessen befürwortet. Mit der sogenannten Agenda 2010 hat sie sich, als negative Alternative zur Aufklärung, auf ein zynisches Menschenbild festlegen lassen, demzufolge natürlicherweise ,,jeder an sich selbst zu erst denkt“, weshalb der Staat das Recht und die Pflicht habe, alle Menschen zu funktionierenden Teilchen der (pssst! kapitalistischen) Gesellschaft zu trimmen. Das wird dann als Verantwortung und Solidarität etikettiert und führt zuweilen dazu, daß Arbeitslose Wohnung und soziale Bezüge verlieren.
In Paul Watzlawicks ,,Anleitung zum Unglücklich sein“ heißt es, eine Neurose sei, das Scheitern einer falschen Handlungsweise mit ,,mehr desselben“ zu beantworten. Die Alternative dazu ist: Nicht die Menschen sind das Problem, sondern die Verhältnisse in denen sie leben. Diese sind gekennzeichnet von einem Interessengegensatz zwischen ,,Oben“ und ,,Unten“. Die erste Voraussetzung der Freiheit ist Frieden. Die Verwirklichung von Gleichheit (auch ,,Gerechtigkeit“ und: Würde) macht den gemeinsamen Kampf gegen die großen Profithäscher erforderlich. Solidarität ist eine sozial befreiende Lebensweise und kein Tauschgeschäft zur Vermeidung von sozialen Härten.
Prinzipien haben immer Konsequenzen.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 23. Februar 2009, http://www.harte--zeiten.de/artikel_826.html