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Mit tödlicher Sicherheit

Gesundheit, Arbeit, Frieden, Sicherheit - wer wollte das nicht? Doch seit den brutalen Anschlägen in Washington und New York schwindet in der westlichen Welt die Zuversicht der Bevölkerung in eine solche Lebensperspektive. Für die Mehrheit der Weltbevölkerung ist sie schon lange eher Wunschtraum als konkrete Alltagserfahrung oder erreichbares Ziel. Im Westen ist das Vertrauen in die Macht der kapitalistischen Staaten, Garanten einer absehbaren und den Einzelnen nützlichen Entwicklung zu sein, erschüttert. Die rechte Antwort darauf ist, Terror mit Krieg zu 'vergelten' und die bisher deregulierte neoliberale Gesellschaft durch massive sicherheitspolitische Maßnahmen und Kontrollen selbst im Finanzwesen nach innen abzusichern. Doch werden gleichzeitig die Grundlagen der Macht der kapitalistischen Metropolen hinterfragt - beispielsweise die umfassende Ausbeutung 'ferner' Länder und Menschen. Deren Absicherung durch geheimdienstliche und militärische Aktivitäten insbesondere der USA und Großbritanniens, aber auch Frankreichs und Deutschlands, geraten vermehrt in die Kritik.

Während hinter vorgehaltener Hand überall zum Ausdruck gebracht wird, dass eine 'gerechtere Weltordnung' mehr zum Frieden beitragen könnte als Bombardements in Afghanistan, welche mit jedem getöteten Zivilisten Angst und Hass auf die Übermacht der NATO-Staaten Nahrung geben, wird die politische Öffentlichkeit für Kritiker zu vermintem Gebiet. Bushs Erklärung, wer gegen die Militärschläge sei, sei Freund der Terroristen, ist nur der Gipfel der Demagogie. Die rationale Suche nach Ursprüngen für terroristische Militanz, nach der Machtbasis für unmenschliche Regime wie dem der Taliban und der Akzeptanz für Antiamerikanismus und Mordtaten gerät zum Wagnis. Wer nicht Bomben will, wolle bin Laden. Der Zynismus dieser Argumentation ist eklatant. Weil die Sicherheit der westlichen Welt bedroht ist, nimmt man in Kauf, dass mehrere Millionen afghanischer Flüchtlinge - über das dort 'übliche' Maß hinaus - in diesem Winter werden verhungern und erfrieren müssen. Weil der Gegner schwer auszumachen ist, müssen ein ganzes Land bombardiert und die im Krieg gegen die Sowjetunion eigens mit Waffen versorgten Taliban bekämpft werden. Wie schon oft mutieren die ehedem nützlichen Idioten zum 'Amerikas' Hauptfeind Nr. eins.

Es gibt nur wenige Gewinner dieses Krieges. Rüstungskonzerne gewinnen an den Börsen, der US-Administration ist es gelungen, gegen alle Vorbehalte den Europäern mehr militärisches Engagement zur Entlastung der eigenen Kräfte abzufordern, die politische Aufmerksamkeit in den USA ist von den tiefen sozialen und politischen Verwerfungen auf die 'Terrorbekämpfung' gelenkt. Die Möglichkeiten von 'abweichender' politischer Betätigung werden durch überwachungsstaatliche Maßnahmen und politische Demagogie eingeschränkt. Weil die Freiheit bedroht sei, müssten bei der Fahndung nach Hintermännern und potenziellen Tätern Rechtsstaatsgrundsätze aufgegeben werden. Aber Hunger, Armut, Gewalt, Ressentiments und Ausbeutung lassen sich so nicht bekämpfen. Man wird sich wieder daran gewöhnen müssen, dass schwerwiegende globale Probleme keine einfachen Lösungen haben. Die Krise der weltweiten Ordnung ist nicht kurzfristig zu lösen. Nur mit einer Perspektive der Überwindung von Ausbeutung und Unterdrückung weltweit lassen sich Reformen einleiten, die tatsächlich die Lebensbedingungen der Menschen verbessern und damit der Gewalt dauerhaft die Grundlage entziehen. Das ist aber keine Frage von Sicherheitspolitik - dafür müssen wir hier bei uns kämpfen, denn nur eine tiefgreifende Veränderung der Politik in den Metropolen Europa, den USA und Japan kann das möglich machen. Das findet seit geraumer Zeit Ausdruck in wachsendem Widerstand gegen den globalisierten Turbo-Kapitalismus und ist in den letzten Wochen in Umfragen, Wahlergebnissen und bei gut besuchten Friedensdemonstrationen (in Berlin 35.000 Teilnehmer) zum Ausdruck gekommen. Wenn sich Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner in ihrem Protest und in der Suche nach friedlichen Lösungen für die internationale Krise nicht einschüchtern lassen, wird man ihre Stimmen nicht dauerhaft klein reden und ignorieren können.

Deshalb rufen wir auf zur Friedensdemonstration des Hamburger Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung am 3.11.2001, 12 Uhr. Treffpunkt ist der Kriegsklotz zwischen Dammtorbahnhof und Stephansplatz.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 30. Oktober 2001, http://www.harte--zeiten.de/artikel_81.html