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Rechtsregierung

und wie geht's weiter?

Der neue Wissenschaftssenator Jörg Dräger, ehedem Geschäftsführer an der Elite-Abteilung der TU-Harburg (20.000 DM Studiengebühren pro Semester) steht für "unternehmerisches Handeln" der Hochschulen. Gemeint ist damit, dass Lehre und Forschung sich an ihrer Rentabilität messen lassen sollen - angeboten wird, was gut bezahlt ist. Nicht der allgemeine gesellschaftliche Nutzen der Wissenschaften soll im Vordergrund stehen, sondern die Hochschulen und Universitäten sollen zu staatlich subventionierten Forschungsabteilungen und Beratungszentren der privaten Wirtschaft werden. Gleichzeitig sollen sie die Studierenden zu fachlich qualifizierten, eigenständig arbeitenden, belastbaren, aber unkritischen Arbeitnehmern heranbilden. Nach diesen Kriterien soll beim Hochschulzugang und im Studium zunehmend gesiebt werden. Damit sich gegen all das kein Widerspruch erhebt, sollen die bisherigen Mitbestimmungsmöglichkeiten der Hochschulmitglieder (Studierende, Mitarbeiter und Profs) durch ein 'Lean-Management' ersetzt werden.

Wer glaubt, der neue Wissenschaftssenator habe seine soziale Ader entdeckt, als er unlängst erklärte, vorerst keine Studiengebühren einführen zu wollen, liegt deshalb falsch: Dräger weiß, dass der Bedarf an Fachkräften mit wissenschaftlichen (Grund-)Kenntnissen auch in der Privatwirtschaft ständig steigt. Und dass die gewollte 'Besten-Auslese' sicher nicht über schnöden sozialen Druck funktioniert. Deshalb wird nach Stipendien- und Studienfinanzierungs-Modellen gesucht, die gewährleisten, dass auch bei knappem elterlichen Geldbeutel studiert werden kann, gleichzeitig aber jede Abweichung von einem streng formalisierten Studienablauf 'geahndet' wird. Konkret ginge das zum Beispiel so: Nach dem Abi erhält man einen Bildungsgutschein über soundsoviel Stunden kostenfreies Studium. Alles, was zur sogenannten Berufsqualifikation nötig ist, kann in dieser Zeit studiert werden. Alles, was darüber hinaus ginge (in andere Fächer reinschnuppern, andere Methoden und Theorien kennenlernen, kritische Reflektion des 'Gelernten'...) bliebe jedoch den Zahlungskräftigen vorbehalten.

Wenn jetzt Langzeitstudiengebühren eingeführt werden sollen und die Studienfinanzierung diskutiert wird, geht es also nicht wie in alten Zeiten um soziale Barrieren, mit denen die Arbeiterkinder von den Privilegien der (Groß-)Bürger ferngehalten werden sollen. Die steigende Zahl akademisch gebildeter Facharbeiter soll vielmehr unter hohen Leistungs-, Konkurrenz- und damit Anpassungsdruck gesetzt werden. Schließlich könnten die Studierenden sonst die erworbene wissenschaftliche Qualifikation nutzen, um gesellschaftliche Zusammenhänge kritisch zu durchleuchten, die Sinnhaftigkeit ihres Tuns (jenseits des Lohnerwerbs) zu hinterfragen; sie könnten in ihrer beruflichen Praxis Alternativen zur bestehenden Produktionsweise und Profitverteilung entwickeln und ... uuuups gar Wissenschaft und Technik zu nutzen, um Demokratie und soziale Gleichheit zu ermöglichen.

Weil dies ganz offenbar an Grundfeste dieser Gesellschaft rührt (nämlich an dem Prinzip der Ausbeutung von Ressourcen und menschlichen Fähigkeiten zur Steigerung von Reichtum und Einfluss einer gesellschaftlichen Minderheit), ist Bildungspolitik ein hart umkämpftes Gebiet. In Schulen und Hochschulen geht es also um die Alternative, entweder hochqualifizierte Untertanen auszuspucken oder aber das Recht aller Menschen auf gleiche Bildungsmöglichkeiten zu verwirklichen und die Bildungs- und Forschungsinhalte an allgemein menschlichem Wohl zu orientieren.

Unter dem Druck z.B. der Hamburger Handelskammer ist auch schon die rot-grüne Vorgänger-Regierung einige Schritte auf dem Weg zu Privatisierung und Entdemokratisierung gegangen. Der neue Senat zeigt sich fest entschlossen, jede Möglichkeit der demokratischen Entwicklung und sozialen Öffnung des Bildungswesens zu verbauen. Jedoch bringt die rasante wissenschaftliche und technische Entwicklung mit sich, dass zukünftig eine überwiegende Bevölkerungsmehrheit hochqualifiziert tätig sein muss oder aber die soziale Spaltung dieser Gesellschaft ein untragbares und destabilisierendes Ausmaß annimmt. Letzteres ist vermeidbar, wenn - nicht zuletzt von den Hochschulen ausgehend - für sozialen Fortschritt und demokratische Entwicklung gestritten wird. Dafür engagieren wir uns. Und Ihr?

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 6. November 2001, http://www.harte--zeiten.de/artikel_80.html