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Verwerte Dich selbst? Erkenne Dich selbst!

,,An Sie als Studierende werden heute vielfältige Anforderungen gestellt. [...] Wichtig ist für Sie, frühzeitig den Bedarf von potentiellen Arbeitgebern im Blick zu haben und trotzdem die eigenen Talente nicht aus den Augen zu verlieren.
Dies bedeutet, dass Sie Kompetenzen erwerben müssen, die Sie in die Lage versetzen, flexibel, unsentimental und marktorientiert auf Veränderungen reagieren zu können.“

,,Career Service“, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Programm WiSe 08/09.

,,Er war eitel wie ein Chirurg, rechthaberisch wie ein Jurist und gutmütig wie ein Scharfrichter nach der Hinrichtung.“
Kurt Tucholsky, ,,Schnipsel“, 1932.

Wer glaubt in diesen raffgierigen Zeiten noch an ,,BWL“ als Leitwissenschaft?

Für eine gesellschaftliche Minderheit gilt: ,,Berauscht Euch!“ (Mit anschließendem fetten Kater.)

Für die Mehrheit heißt es: ,,Verwertet Euch!“ (Mit wunden Knien und Ellenbogen.)

Der Neoliberalismus ist ein autoritäres und geistfeindliches Regime, das den Hamburger Hochschulen in acht Jahren CDU-Regierung eine technokratische Output-Orientierung verordnet hat. Das Maß aller Dinge sei ,,die Wirtschaft“, die Menschen seien in ,,Leistungsträger“ und ,,Versager“ geschieden. So soll die Universität Teil der Verwachsenen Stadt Ole von Beusts werden. Diese Politik ist gescheitert.

Die verstärkte Auslese beim Zugang zur Hochschule und im Übergang zum Master und die Abwicklung demokratischer Mitbestimmung verschärfen die ohnehin schon bestehende soziale Ungleichheit. Die gestuften Abschlüsse und die Gebühren steigern die Konkurrenz im Alltag und erhöhen den Leistungsdruck in einer vermeintlich endlosen Rangelei um ein - mehr oder weniger - akzeptiertes Leben. Aus der ,,Berufsorientierung“ resultiert eine sagenhafte Verflachung der Wissenschaften und ein hohes Maß an unproduktiver Gereiztheit. Das drückt erheblich aufs Gemüt und hat mit Bildung als kooperative Befähigung zur humaner gesellschaftlicher Gestaltung ebensowenig zu tun wie mit subjektiver Entfaltung. Echte Vernunft ist nicht käuflich.

Die oberste Universitätsleitung sieht sich erstaunlicherwiese ermächtigt, am Ende dieser Sackgasse die Uni weiter gegen die Wand zu fahren. Der derzeitige AStA (Fakultäten-Listen und ,,Jusos“) funktioniert dabei als devotes Co-Management. Das ist nicht schön. Die Übel bleiben Übel, auch wenn man sie ein wenig mildern will.

Ihre Überwindung beginnt damit, jede medial und strukturell suggerierte Unvermeidbarkeit (,,Realismus“) in Frage zu stellen.

Wer sich aufrichtet, sieht auch mehr - zuallererst die prinzipiell gleichen Mitmenschen.

Was dann kommt, kann nur besser sein: eine präzise analytische Kritik an den Ursachen der Übel, kritische Anteilnahme und Verständigung ermöglichen die kooperative Problemlösung.

Menschenwürdige Bedingungen folgen, wenn Menschen anstelle des ,,Bedarf(s) potentieller Arbeitgeber“ das allgemeine Wohl als Modus, Inhalt und Ziel ihrer Tätigkeit bestimmen.

Der Sinn der Wissenschaften bleibt die produktive Kultivierung der Gesellschaft. Die Überwindung von Schranken der gesellschaftlichen Emanzipation - nicht zuletzt: des Krieges -, einer zerstörenden Weltökonomie und einer kommerzialisierten (Alltags-)Kultur ist eine verbindende Angelegenheit, die eine gesellschaftskritische Parteilichkeit voraussetzt.

,,Schon hier auf Erden möchte ich durch die Segnungen freier politischer und industrieller Institutionen jene Seligkeit etablieren, die nach der Meinung der Frommen erst am jüngsten Tage, im Himmel, stattfinden soll.“
Heinrich Heine, ,,Zur Geschichte der Religion und Philoso-
phie“, 1834.

Das ,,Verwerte Dich selbst“ findet im ,,Erkenne Dich selbst“ seine wirksame Alternative. Die studentischen Wahlen (zum Studierendenparlament und zum Akademischen Senat) sollten für positive Entscheidung genutzt werden.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther, Golnar Sepehrnia & Christian Sauerbeck, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: FachschaftsBündnis - Aktive für demokratische und kritische Hochschulen,
harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
und Liste LINKS - Offene AusländerInnenliste . Linke Liste . andere Aktive
Veröffentlicht am Sonntag, den 30. November 2008, http://www.harte--zeiten.de/artikel_797.html