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Aufklärung und Emanzipation: ,,Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück“
,,Minna v. Barnhelm: Oh, mein Rechthaber, so hätten Sie sich auch nicht unglücklich nennen sollen. - Ganz geschwiegen oder ganz mit der Sprache heraus. - Eine Vernunft, eine Notwendigkeit, die Ihnen mich ganz zu vergessen befiehlt? - Ich bin eine große Liebhaberin der Vernunft, ich habe sehr viel Ehrerbietung für die Notwendigkeit. - Aber lassen Sie doch hören, wie vernünftig diese Vernunft, wie notwendig diese Notwendigkeit ist.“
Gotthold Ephraim Lessing, ,,Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück“, 2. Aufzug/9. Auftritt, uraufgeführt in Hamburg 1767.
,,Lessings Wahrheitsliebe ist die radikalste, sein Talent, die Wahrheit, wie er sich ausdrückt >bis in ihre letzten Schlupfwinkel zu verfolgen<, ist unbändig und bei solcher Verfolgung natürlich am behendesten, wenn es sich um Selbsterkenntnis handelt. Man hat die liebenswürdigsten Proben davon in seinem dichterischen Werk. So wenn Minna zu Tellheim äußert, es gebe eine gewisse kalte, nachlässige Art, von seiner Tapferkeit und seinem Unglück zu sprechen - und Tellheim sich beeilt, hinzuzufügen: >- die im Grunde doch auch geprahlt und geklagt ist<.“
Thomas Mann, ,,Rede über Lessing“, 1929.
Ein Theaterstück verändert noch nicht die Welt, kann aber die Sicht auf sie verändern. Konsequenzen mögen dann nicht ausbleiben.
Lessings ,,Minna...“ ist eine (gelungene) Komödie - was in deutschen Landen gut und selten ist -, die auch heute noch ihre heiteren Wirkungen nicht verfehlt. Denn das Drama könnte im Zusatz auch heißen ,,Das Soldatenunglück und wie es sich durch vernünftiges und listiges Zutun doch noch zum Guten fügt“.
Das Stück ist auch ein Antikriegswerk, denn Gotthold Ephraim Lessing war ein engagierter Aufklärer, ganz im Sinne von Immanuel Kants Definition ,,Die Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ ,,Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ (1784)
Diese Rationalität, gehoben auf die heutige Zeit mit ihren Kriegen, ihrem sozialen Gefälle, ihrer borstigen Kultur und ihrer organisierten Unvernunft, kann und sollte bedeuten, die kritisch zu gewinnenden Erkenntnisse - mitsamt ihrer Heiterkeit - auf die in die Krise gebrachten sozialen Verhältnisse, den Alltag und die langfristig orientierten Verhaltensweisen gestaltend anzuwenden.
Was ist vernünftig?
An erster Stelle ist unnachgiebig zu prüfen, was menschenwürdig ist.
Die soldatische ,,Ehre“ erweist sich, nicht ohne Lachreiz, als das, was sie ist: selbstschädigend, perspektivlos, ungelenk und veränderbar.
Die Gleichrangigkeit der meisten handelnden Personen nivelliert die üblichen Standesunterschiede.
Die List muß nicht der Niederwerfung dienen, sondern kann auch guten (gemeinsamen) Zwecken nützlich sein.
Autoritäten können irren (eher die Regel). Der Widerstand dagegen ist nicht wirkungslos. Gerechtigkeit entsteht durch Unbeirrbarkeit und Beharrlichkeit (die Ausnahme, die zur Regel werden kann).
Gleichheit ist das Maß der außerordentlichen Sympathie.
Von Lessing läßt sich auch heute noch lernen.
In diesem Sinne laden wir ein:
Filmabend:
,,Minna von Barnhelm“
Aufnahme von Wolfgang Langhoffs Inszenierung am Deutschen Theater (Ostberlin, 1960)
Hans-Peter Minetti spielt den Major von Tellheim
und Käthe Reichel spielt die Minna von Barnhelm.
Eine Einführung zu Werk, Autor, Zeit und
Zeitgenossenschaft von Gotthold Ephraim Lessing gibt
Dr. Wolfgang Beutin
Literaturwissenschaftler, Dozent und Autor.
Dienstag, den 18. November 2008, 19 h,
Von-Melle-Park 8, Raum 05, Gebäude der Erziehungswissenschaft