Menü | HomePublikationenharte zeiten › Flugblatt der juso-hsg vom

Häuptlinge und Indianer

oder warum Gerechtigkeit dem Standort schadet

"Wer treten will, muß sich auch treten lassen."

(Diederich Heßling, in "Der Untertan" von Heinrich Mann)

Bei einem von der Vereinsbank bestellten bildungspolitischen 'Meinungsaustausch' unter dem Titel "Zwischen Wissen und Rendite - Der Bildungsmarkt im Umbruch" war man sich von Siemens bis zum Unipräsidenten, vom neuen Wissenschaftssenator bis zum Springer-Verlag einig: Die Hochschulen müssten sich ihre Studierenden selbst aussuchen können. Schließlich gebe es zu geringe Ressourcen und diese dürfe man nicht verschwenden. Bildung für alle als Verschwendung? Richtig, denn - so hieß es vom Podium - es müsse Häuptlinge und Indianer geben, oder anders gesagt: Wir (Deutschen) müssten doch alle zusammenhalten, um "die besten Köpfe nach oben und den Standort nach vorne zu bringen", so der Siemens-Vertreter.

Drum solle, wer Häuptling werden will, künftig tief ins Portemonnaie greifen oder anständig knechten (damit es ein Stipendium gibt), oder am besten beides, das sichere die "Lebensfähigkeit" und die "Lebenschancen" (Rektor FH Bremen). Gleichberechtigter Zugang zum Hochschulstudium für Abiturienten und hochqualifizierte Berufstätige? Schnickschnack! Künftige Studierwillige müssen sich "einer adäquaten Ausbildung zuordnen lassen", so Wissenschaftssenator Dräger. Juhu! Freiheit statt Sozialismus! All das, damit nicht die Wissenschaft allen Menschen nütze, sondern das Wissen der Rendite diene. Die nützt bekanntlich auch Menschen, aber nicht besonders vielen.

Also sollen die Studierenden um Plätze an irgendwie reputierten Hochschulen kämpfen, die Hochschulen sollen um private Förderung und "leistungsstarke" Studierenden konkurrieren und die Unternehmen sollen um den Zugriff auf Forschungsergebnisse buhlen. Weil soviel "positive Konkurrenz", so der Vereinsbankvertreter, ordentlich das Geschäft belebt, gewinnt Deutschland dann den internationalen Wettlauf um die Weltspitze. Wer nicht "stark" genug ist oder sich nicht beugt, sollte lieber nicht auf "Nachsicht" (ob Sozialleistung oder Entwicklungshilfe) hoffen. Ja, der Kapitalismus hat seinen Turbo zugeschaltet und das geht auch an den Hochschulen nicht spurlos vorbei. Schon gar nicht mit der neuen Rechtsregierung. Damit es trotzdem Spaßmacht, plante die Vereinsbank einen gefälligen Hochglanz-Talk - und hatte nicht mit den zahlreichen Studierenden gerechnet, die kritisch die Diskussion belebten.

Wer nicht getreten werden will, sollte das Treten lassen und mit Egalität statt Elitedünkel, Kooperation statt Konkurrenz und Widerspruch statt Unterordnung fortschrittliches Engagement entfalten. Auch und gerade an der Uni, denn: Umfassende Bildung und kritische Wissenschaft sind Ausgangspunkt für demokratische, soziale und friedliche Entwicklung.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 5. Dezember 2001, http://www.harte--zeiten.de/artikel_77.html