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Antrag an den Akademischen Senat

Für ein gebührenfreies Studium!

Olaf Walther,
Golnar Sepehrnia

Der Akademische Senat möge befassen, beraten und beschließen:

Für ein gebührenfreies Studium!

0. Der Akademische Senat bekräftigt seine Ablehnung von Studiengebühren.

I. ,,Betrachtet man die Gesamtheit der Studierenden in Hamburg nach ihrer sozialen Herkunft, so zeigt sich eine Ungleichverteilung zugunsten ,,gehobener“ und ,,hoher“ Herkunftsgruppen: Während aktuell lediglich 10,7 Prozent (2000: 14,7) der Studierenden aus ,,niedrigen“ Herkunftsgruppe und weitere 26,6 Prozent aus der ,,mittleren“ Herkunftsgruppe kommen, sind dies bei der ,,gehobenen“ Gruppe 24, 5 Prozent und bei der ,,hohen“ Gruppe 38,3 Prozent (2000: 32,0 Prozent). In Hamburg hat sich die Verteilung zugunsten der ,,höheren“ und zu ungunsten der ,,niedrigen“ sozialen Herkunftsgruppe stärker als im Bundesdurchschnitt verschoben.“
Studentische Lebenswelt 2003, Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Hamburg, Hamburger Sonderauswertung der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, Hamburg 2004.

Studiengebühren gleich welcher Art sind ein wissenschaftsfernes, ordnungspolitisches Mittel, das die soziale Selektivität des bundesdeutschen Bildungssystems verstärkt. Auch Modelle der nachgelagerten Studiengebühr, des Bildungssparens und Stipendien schrecken von der Aufnahme eines Studiums ab und benachteiligen sozial schlechter Gestellte. Jede Form von Gebühren ist geeignet, die schon vor dem Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung manifeste soziale Auslese im Bildungssystem zu verschärfen.

II. ,,Unser Auftrag aus dem Aufsichtsrat ist es, den Gewinn zu steigern und nicht die Kosten.“
Josef Ackermann, Vorstandssprecher der Deutschen Bank.

Der Gewinn der Deutschen Bank vor Steuern stieg 2004 um die Hälfte auf 4,1 Milliarden Euro. Nach Steuern erhöhte sich das Ergebnis um 87 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. Zur ,,Kostensenkung“ sollen 5200 Arbeitsplätze abgebaut werden.
Die Verteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums ist zunehmend ungleich. Die Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen ist nicht gewährleistet. Die Unterfinanzierung der Hochschulen und ihre damit einhergehende Krise können als Ausdruck dieser gesellschaftlichen Krise erkannt, kritisiert und bekämpft werden. Studiengebühren sollen von diesem Zusammenhang ablenken indem sie die Studierenden zu den Verursachern der Misere erklären.

III. "Gibs auf!
Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, daß es schon viel später war, als ich geglaubt hatte, ich mußte mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lächelte und sagte: ‘Von mir willst du den Weg erfahren?' ‘Ja', sagte ich, ‘da ich ihn selbst nicht finden kann.' ‘Gibs auf, gibs auf', sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen."

Franz Kafka.

Studiengebühren gleich welcher Art dienen in Einheit der sozialen wie kulturellen Normierung und Auslese von Studierenden. Diese sollen sich der Maxime der Gewinnsteigerung beugen. Das Studium soll selbst-tätig auf eine Berufsausbildung reduziert werden. Gebühren wirken als Instrument, die kooperative Einheit von Lehre, Studium, Forschung und Selbstverwaltung der Hochschulen durch gleichberechtigte Mitglieder zugunsten einer kalten Ware-Geld-Beziehung aufzulösen. Die Durchsetzung dieser Unkultur trifft alle Universitätsmitglieder.
Bezweckt wird die Akzeptanz und Verstetigung bestehender unsozialer Bedingungen. Wir sagen Nein!

IV. ,,Bildung mündiger Menschen: Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung.“
Leitbild der Universität Hamburg

Studiengebühren stehen der Verwirklichung des im Leitbild, der Grundordnung und den Entwicklungsperspektiven der Universität gefaßten Selbstverständnisses entgegen. Die Universität wird deshalb als wirksamer Faktor für ein gebührenfreies Studium in die aktuelle öffentliche Debatte eingreifen.

V. ,,Bei der Auslegung der Regelungen der ,,Satzung der Universität Hamburg zur Befreiung von Studiengebühren“ folgt sie [die Universität] dabei dem in der Präambel festgelegten Grundsatz, ihr Möglichstes dafür zu tun, dass kein Studierender und keine Studierende aus sozialen, finanziellen, gesundheitlichen, studienbedingten, persönlichen oder sonstigen wichtigen Gründen genötigt ist, sein Studium zu beenden.“
Aus einem Beschluß des Akademischen Senats vom 24. Juni 2004

Der Akademische Senat bekräftigt seinen Beschluß vom 24. Juni 2004. Er beauftragt den ALSt gemeinsam mit dem Widerspruchsausschuß, dem für Lehre und Studium zuständigen Vizepräsidenten sowie der Verwaltung die bisherigen Erfahrungen bei der Befreiung von Studiengebühren kritisch auszuwerten. Dies geschehe besonders in Hinblick darauf, inwieweit dem formulierten Anspruch genüge getan werden konnte und welche Verbesserungen für die weitreichende Befreiung potentiell Gebührenpflichtiger vorzunehmen sind, insbesondere welche Regelungen in der Satzung zur Befreiung von Studiengebühren verbessert werden können. Die entsprechenden Vorschläge unterbreitet der ALSt so bald als möglich dem AS und dem Präsidium.

Anlage Beschlüsse des Akademischen Senats für ein gebührenfreies Studium

Veröffentlicht am Donnerstag, den 10. März 2005, http://www.harte--zeiten.de/dokument_736.html