Menü | HomePublikationenharte zeiten › Flugblatt von harte zeiten vom

Tod oder Leben?

,,Die Zwangsernährung Sterbender wird in Deutschland schleichend zum medizinischen Standard. Vor allem eine hohe Zahl Demenzkranker in Pflegeheimen wird durch Magensonden (Peg-Sonden) künstlich ernährt. Ärzte fordern daher ein Umdenken.“
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, ,,Magensonde wird schleichend zum medizinischen Standard“, 15. Juni 2008.

,,Die richtige Ernährungstherapie könnte zehn bis 20 Prozent der Patienten auf der Intensivstation retten, die sonst sterben. Diese Auffassung vertritt die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin auf der Basis neuer Untersuchungen. »Studien aus den 90er-Jahren haben allerdings keine solche Verbesserung gezeigt, so dass viele Krankenhäuser bis heute unter anderem aus Sparsamkeitsgründen keine Notwendigkeit sehen, Intensivpatienten rechtzeitig, adäquat und lebenserhaltend zu ernähren«, kritisierte Georg Kreymann von der Medizinischen Klinik I, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf der Tagung ,Ernährung 2008' vom 12. bis 14. Juni in Hamburg.“
Deutsches Ärzteblatt, 15. Juni 2008.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung plädiert dafür, schwer kranke ältere Menschen verhungern zu lassen. Unterlassene Hilfe, faktische Tötung sei Menschenfreundlichkeit. Als Legitimation für diesen folgenreichen Zynismus gilt, der scheinbar plausible Verweis auf die Ohnmacht und die körperlichen Leiden der Betreffenden.
In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Wer im vermeintlich unvermeidbaren täglichen Überlebenskampf nicht ,,aus eigener Kraft“ bestehen kann, ist demnach weder wert noch vernünftigerweise willens zu Leben. Der Mensch als soziales und kulturelles Wesen, als Lernender und Lehrender, als Freund und Mitstreiter, als Persönlichkeit mit Erfahrungen, Widersprüchen und Herausforderung, der Mensch als Bedürfnis des Menschen wird verneint.
In solcher Denk- und Handlungsweise wird die schöne neue Share-holder-Value-Welt final manifestiert. Zu dieser Barbarei kann es nur ein klares Nein! geben.
Das hat außerordentlich praktische Konsequenzen. Die Verbesserung der medizinischen Versorgung (inklusive der Erforschung von Gesundheits- bzw. Genesungsursachen), die Qualifizierung und Aufstockung medizinischen Personals, die Überwindung eines entmündigenden und entmutigenden Bevormundungsverhältnisses ,,am Krankenbett“, die Verbesserung der ,,Schmerztherapie“, die kulturelle und intellektuelle Herausforderung von ,,Demenz“-Kranken sind einige davon.
Immer entscheidend ist der Kampf gegen die Verzweiflung und die unverbrüchliche Kritik an einer Gesellschaft, in der Menschen, die nicht als voll ,,leistungsfähig“ gelten, ausgemustert und abgeschrieben werden.
Was wäre eine Welt ohne Verzweiflung?
Das Engagement dafür ist das vernünftige Leben im Falschen.
Mit keinem Übel sollten wir uns abfinden. Das ist die Grundlage aller Verbesserungen. Dadurch erhalten auch die Wissenschaften ihren humanen Sinn.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 18. Juni 2008, http://www.harte--zeiten.de/artikel_724.html