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Schrei leiser, bitte!
„Ein Satz beherrscht die Woche. ,Jeder Vierte in Deutschland ist von Armut betroffen.' Kaum ist der Satz in der Welt, ist auch der Reflex da: Aus den Armen lässt sich Kapital schlagen. Ohne sie gäbe es keine Armutsberichte. Und ohne Armutsberichte könnten die Politiker keine ,Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut ersinnen.'“
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, „Gut, das wir die Armen haben“, 25.05.2008.
Ein Reflex – eine unkontrollierte Zuckung? – sind also Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut. Das Lesen konservativer Stimmungsblätter bildet nicht unbedingt.
In der Bundesrepublik ist jeder Vierte mit Armut konfrontiert, jeder Achte lebt unter der Armutsgrenze von monatlich 781 Euro (dazu gehören laut Sozialerhebung des Studierendenwerks übrigens fast alle Studierenden in Hamburg). Jedes sechste Kind ist von Hatz IV betroffen. Viele davon müssen von unter drei Euro pro Tag essen.
Jeder halbwegs ehrliche Mensch weiß, daß sich so nicht auskömmlich leben läßt.
Noch schwerer aber wiegt die Perspektivlosigkeit: Die Bundesrepublik hat prozentual ähnlich viele Niedrigverdiener („working poor“) wie die USA. Dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse, Weiterbildungen, betriebliche Mitbestimmung werden zur Ausnahme. Anstatt einer zunehmenden Verstaatlichung und Demokratisierung zentraler Industrien und Reproduktionsbereiche (Bildung, Gesundheit etc.), die eine inhaltlich bewußte, kooperative und allgemein nützliche Gestaltung der Arbeit ermöglichen würden, wird privatisiert und damit die Arbeit schlechter, die Bedingungen ungesicherter. Entsprechend sinken die Reallöhne noch immer, trotz leichter Lohnerhöhungen. Derweil steigt die Produktivität, steigen die Gewinne, sind ,,wir“ weiter Exportweltmeister und die Konjunkturzahlen für das erste Quartal 2008 haben belegt, daß die hiesige Wirtschaft trotz Finanzkrise und hohen Rohölpreisen überdurchschnittlich wächst.
Man kann deshalb feststellen: In der Tat läßt sich aus der Armut Kapital schlagen (s.o.). Allerdings ganz materiell von den gewinngroßen und -größten Unternehmen und Eignerfamilien, die allerdings im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nicht als die Problemverursacher benannt werden.
Die Siemens AG hatte 2006 einen Reingewinn von 3,033 Milliarden EUR, die BMW Group immerhin noch 2,29 Milliarden EUR. Die Familien Mohn (Bertelsmann), Oetker, Quandt (BMW), Siemens, Albrecht (Aldi), Hertz (Tchibo), Otto ..., diese Familien werden wohl über die 3418 Euro im Monat, die einen Single regierungsamtlich zu einem Reichen machen, nur lachen. Das ist Taschengeld.
Damit dieser Zusammenhang von Reich und Arm nicht deutlich wird und die Verursacher des Übels sorglos ihre Händel treiben können, wird versucht, sollen wir ein schlechtes Gewissen und Angst haben: Anderen ginge es noch schlechter, alle müssen den Gürtel enger schnallen oder wer nicht spurt, findet sich schnell beim Arbeitsamt wieder. Die willfährige Angleichung an rücksichtslose ökonomische Forderungen wird immer nachdrücklicher verlangt.
Für diese Politik steht in Hamburg besonders und ungemindert die CDU. Auch die Studiengebühren sind ein Element dieser Orientierung. Sie sollten weiter solidarisch bekämpft werden.
Es lohnt sich, die große Geschäftemacherei unter Generalverdacht zu stellen. Bessere Bedingungen sind dann für alle erreichbar. „Geld“ ist genug da.