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Altes Lied und neues Elend: ,,Der Rote Baron“
,,Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Kriege getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.“
Kurt Tucholsky, ,,Schnipsel“, Die Weltbühne, 21.06.1932, Nr. 25, S. 937.
,,Aber der Hauptgrund war, dass ich es wahnsinnig interessant fand, einen 26-jährigen Mann zu spielen, der eine Verantwortung trägt, aus Pflicht sein Land verteidigen muss - und hinter ihm hängt ganz Deutschland und sagt, verteidige das Reich, du bist unser Aushängeschild.“
Der Schauspieler Matthias Schweighöfer anläßlich der Filmpremiere von ,,Der Rote Baron“ am 31. März 2008 in Berlin.
Unverkrampft gedeih'n nun wieder deutsche Filme, deutsche Lieder. Auch Historienfilme: Am 10. April werden willige Konsumenten mit einem neuen Schinken beglückt: ,,Der Rote Baron“. Die verfälschende Story ist schnell erzählt: Ein abenteuerlustiger Jungpreuße kommt im Ersten Weltkrieg zur Luftwaffe, ist edelmütig, geschickt und mutig, also ein Held, den seine Gegner fürchten und achten. Nach einer Verletzung lernt er eine Krankenschwester kennen, die ihn zum Pazifisten und Preußenkritiker bekehrt, die er liebt und ehelichen würde, würde der plötzlich zum Grauen mutierte Krieg ihn nicht das Leben kosten.
Soweit, so pathetisch, kitschig und unwahr.
Wahr ist, daß kein deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg (auch nicht im Zweiten) sein sogenanntes Vaterland verteidigt hat. Vielmehr wurde gleich zwei Mal im vergangenen Jahrhundert versucht, die ,,Weltgeltung“ kapitaler Geschäfts- und Militärinteressen insbesondere durch Raub- und Vernichtungskriege gen Osten durchzusetzen. Dafür sind Abermillionen Menschen in das absolut entfesselte und technisierte Morden gelockt, getrieben, geschickt und gezwungen worden und zu einem erschreckend kleinen Teil und mit den größten körperlichen und psychischen Blessuren heimgekehrt; nicht ohne vorher fast die gesamte europäische Zivilbevölkerung zu verheeren.
Wahr ist ferner, daß der sogenannte ,,Rote Baron“, Freiherr Manfred von Richthofen, ein ehrgeiziger junger Mann aus verarmendem schlesischem Adel war, der in seiner militärischen Karriere als Flieger erstens eine Gelegenheit sah, zu Ruhm und Geld zu kommen und zweitens dem bestialischen Elend des Stellungskrieges zu entkommen. Seine bis heute vielfach gerühmten ,,80 Abschüsse“ feindlicher Flieger waren Massenmord, der nicht zu letzt darauf beruhte, daß der Ingenieur Anthony Fokker für die wilhelminische Luftwaffe als erster eine Mechanik erfunden hatte, die erlaubte, mit dem Maschinengewehr durch den rotierenden Propeller zu schießen, also den ,,Feind“ von hinten zu treffen. Das Kriegsglück wendete sich bald, als Ingenieure anderer Kriegsparteien technisch aufholten.
Wahr ist außerdem, daß die Erfahrungen des ersten Luftkrieges der Geschichte einen Grundstein für faschistische Rüstungspolitik und Kriegführung gelegt haben. Nach v. Richthofens Tod übernahm ein gewisser Hermann Göring seine Einheit. Von Richthofens Vetter Wolfram war als leitender Offizier an den brutalen Mordanschlägen von Hilters Flieger-,,Legion Condor“ beteiligt, die den Sieg Francos über die Spanische Republik erst möglich machten. Auf der Homepage der Familie werden beide Ahnen uneingeschränkt gefeiert. Den ,,verlorenen“ Besitzungen in Schlesien (Polen) weint man allenthalben nach.
Geldgier, Reaktion und Revanchismus sind eine traditionsreiche Menschheitsplage.
Der Kult um dem ,,Roten Baron“, der diesen Beinnamen wegen des eitlen Anstrichs seiner Kriegsmaschinen posthum erhielt, ist seit dem Ersten Weltkrieg ein fester Bestandteil des deutschen Militarismus. Dem dient auch diese schmonzettige Neuauflage dieser Legende vom guten Soldaten. Das nach der Wiederbewaffung 1959 gegründete Jagdgeschwader 71 der Luftwaffe der Bundeswehr heißt ,,Richthofen“. Es dient angeblich der Landesverteidigung.
Bekanntlich findet diese unter anderem am Hindukusch statt.
Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet hat, ...