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Man muß aus der Ferne nicht tatenlos zusehen
Das Beispiel Pakistan
,,Ich möchte darauf hinweisen, daß alle Parteien, alle Regierungen von der Straße gewählt sind. Sie werden nicht gewählt von der versammelten Herausgeberschaft sämtlicher konservativer Zeitungen, die 0,01% der Wähler ausmachen. Die Straße wählt, und wenn der berühmte Mann von der Straße, auf den man als Werbeopfer, als Wähler so freundlich zugeht, wenn der dann auf die Straße geht, wird er plötzlich verdächtig.“
Heinrich Böll, Rede auf dem ,,Kulturforum“ der SPD am 16.9.1983.
Die Welt wird zur Zeit nicht friedlicher.
Pakistan ist - wie Indien - seit sechzig Jahren unabhängig von der ehemaligen britischen Kolonialmacht. Die heutigen Konflikte sind dreifachen Ursprungs: Sie sind - was die religiös-nationalistische Auseinandersetzung mit Indien um Kaschmir betrifft - ein direktes Erbe der Kolonialzeit. Zweitens ist auch heute der Reichtum an Bodenschätzen und Handelsgütern ein Grund für den Westen, dort machtpolitischen Interessen zu verfolgen, auch wenn Pakistan mittlerweile vorwiegend strategisch relevant ist im Konflikt der NATO-Staaten mit Russland um die Hegemonie im erdöl- und -gasreichen Kaukasus und Zentralasien. Drittens ist diese militärische Bedeutung von den USA auch schon in den 1970er und 1980er Jahren genutzt worden, als sie aus Pakistan die Operationen extremistischer ,,Moslem“-Verbände unterstützten, um gegen den politischen Einfluß der UdSSR in Afghanistan und Indien einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Heute werden dieselben militärischen Wege genutzt, um die so gezüchteten Taliban in Afghanistan zu bekämpfen. Im Zusammenhang des Kalten Krieges hat Pakistan im Übrigen mit Hilfe der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas und selbstverständlich der vorurteilsfreien deutschen Industrie gelernt, die Bombe zu bauen. Es verfügt vermutlich über 60 einsatzfähige atomare Sprengköpfe (Indien 100). Beide Staaten haben keine internationalen Verträge zur atomaren Rüstungskontrolle unterzeichnet.
In Pakistan stirbt jedes zehnte Kind, bevor es das fünfte Lebensjahr erreicht.
Die aktuellen Konflikte um die politischen Macht entstehen durch das US-amerikanische Bemühen, eine stabile und loyale Regierung zu installieren. Demokratisierungsbewegungen sind deshalb durch die Rückkehr der Pseudo-Demokratin Bhutto aus amerikanischen Exil gezielt gestört worden. Sie sollte sich die Macht mit dem US-treuen, aber in der Bevölkerung unbeliebten Militärregenten Musharraf teilen. Sie hätte sich außer auf ihre ,,People's Party“ auch auf ihr feudalen Großgrundbesitz stützen können.
Es ist also unverkennbar die perverse Machtpolitik der NATO-Staaten, die eine Region, die auf 5.000 Jahre Kulturgeschichte zurückblickt, die in jeder Hinsicht die Bedingungen einer unabhängigen Landwirtschaft und Industrie hat, deren Menschen etliche Male im Vergangenen Jahrhundert für Frieden und Demokratie gekämpft haben, in Unterentwicklung, Kriegschaos und Korruption versinken läßt. Das läßt sich hier besser ändern, als ,,vor Ort“.
Hilfreich für Pakistan ist: Die Beendigung des Krieges in Afghanistan, die Beendigung der Ausbeutung rohstoffreicher und/oder strategisch bedeutsamer Länder sowie weltweite nukleare (und weitergehende) Abrüstung. Außerdem: Zivile Konfliktregulierung, erhebliche internationale Hilfe und Zusammenarbeit für eine zivile und gerechte Entwicklung der Ökonomie des Landes, die Errichtung eines verläßlichen sozialen Versorgungssystems sowie säkularer Bildungs- und Kultureinrichtungen für alle.
Die Straße des Protests für den Frieden, von welcher der Schriftsteller Heinricht Böll spricht, führt auch am Arbeitsplatz vorbei, durch Verbände und Vereine, durch Klassenzimmer oder Seminare. Hier kann zum Beispiel entgegen dem Augenschein eine kritische Analyse entwickelt werden, die wirkliche Problemlösung ermöglicht. Die Politik der Regierungen kann ohne die Duldung der Bevölkerung nicht sein. Hierin liegt eine bedeutsame Möglichkeit studentischen Engagements.