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Wer wird Olympiasieger im Wett-Knechten?

"Feuer und Flamme" für saubere Strassen

Juhu! Hamburg wird Olympiastadt - vielleicht. Auch dafür muß alles auf Wettbewerb getrimmt werden. Dabei sein ist alles - im Klartext: Man muß auch verlieren können.

Gemäß dieser Auffassung werden jedenfalls derzeit alle politischen Handlungsbereiche darauf hin durch gekämmt, ob man sie nicht noch ein wenig unsozialer, konkurrenzhafter, wirtschaftskonformer gestalten könnte. Dafür braucht es billiges und williges Personal.

An den Hochschulen soll in diesem Sinne kein Stein auf dem anderen bleiben. Mit dem von Wissenschaftssenator Dräger den Hochschulen aufgenötigten Begutachtungsverfahren ("Letter of Intent") zur Herausbildung von wirtschaftsdienlichen Kerntätigkeitsfeldern der Hochschulen, der angestrebten rigorosen Schließung 'überflüssiger' Fachbereiche und weiteren Maßnahmen sollen Veränderungen vorbereitet werden, die man nur noch als Zerschlagung der bestehenden Hochschullandschaft bezeichnen kann. Zugang zu wissenschaftlicher Qualifikation ist im Sinne des Urhebers nicht mehr ein demokratisches Recht - es geht ausschließlich um die Bedarfsdeckung der Wirtschaft. Daran ändert sich natürlich nichts, weil der Senator ein Fan billiger Kosmetik ist - statt von "Geschäftsfeldern der Hochschulen" heißt es nun "Tätigkeitsfelder" - und rechnen muß es sich doch.

Akademiker als gut ausgebildete Knechte für "den Standort". Der Senator selbst ist Prototyp des geforderten "Rohmaterials" (so nannte vor einigen Jahren der damalige Präses "unserer" Handelskammer das Kanonenfutter der freien Marktwirtschaft): Jemand, der schnell studiert, bei Individualität an Hairstyling denkt und sich überhaupt nicht vorstellen kann, daß die Interessen von Menschen im Gegensatz zu den Interessen der Kapitaleigner liegen könnten.

Um das Bild abzurunden, hat Dräger einem Hochschulgesetz-Entwurf vorgelegt. Das "Hochschulmodernisierungesetz" (von einem Chaplin-inspirierten Behörden-Mitarbeiter als "HochModernG" abgekürzt) sieht neben Studiengebühren - bei Umsetzung des Entwurfes würden sofort 10.000 Hamburger Studierende zur Kasse gebeten - nicht weniger als die Abwicklung der demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen der Hochschulen, die erneute Einschränkung des politischen Mandates der Verfassten Studierendenschaft und die Einführung eines politischen Disziplinarrechtes gegen Hochschulmitglieder vorsieht.

Zur Einordnung sei darauf hingewiesen, dass selbst Uni-Präsident Lüthje, basisdemokratischer Neigungen gänzlich unverdächtig und aktuell Stichwortgeber des Senates in Sachen Studiengebühren meint, Drägers Gesetzesphantasie würde weit übers Ziel hinaus schießen.

Gegen diese Politik hilft Unterwürfigkeit (zur Verhütung von Schlimmerem) nicht weiter. Darum hat es an allen Hochschulen in den vergangenen Wochen massiven Widerstand gegen die Unterzeichnung des "Letter of Intent" durch die Hochschulleitungen gegeben. An der Hochschule für angewandte Wissenschaften (ehem. Fachhochschule) wurde gar ein Abwahlverfahren gegen den Präsidenten, Husung, eingeleitet, weil er die Zumutung des Senators im Alleingang annehmen wollte. Auch in den Gremien der Uni besteht wenig Neigung, sich den Plänen des Rechtssenates zu unterwerfen.

Und Anlass besteht dazu schon gar nicht: Wer in den letzten Tagen die Presse studiert stellt fest, daß von den Ankündigungen des Senates, Bildung zum prioritären Bereich zu machen nichts gutes zu erwarten ist - das hat inzwischen sogar die FDP gemerkt. Mit Mehrarbeit für Staatsbedienstete (statt versprochener neuer Stellen), dem Verscherbeln sogar noch der Krankenhäuser (Ulrich Marseille lässt grüßen), der Überlassung von berufsbildenden Schulen an die Handelskammer (und, und, und) schafft der Senat ein schönes breites Fundament für reichlich Protest - Quasi als Massensport.

Worauf es ankommt ist nicht nur, für den jeweiligen Bereich auf die Straße zu gehen: Den eigenen Fachbereich, die eigene Universität, die Studierenden - oder: Die Kindergärten, die Schulen, die Kultureinrichtungen, die Sozialeinrichtungen, die städtischen Wohnungen, die Krankenhäuser, was auch immer auf der Abschußliste des Senates steht. Es kommt vor allem darauf an, den Protest der verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche zusammen zu bringen. Pessimistisch ausgedrückt: Sonst lässt man sich gegeneinander ausspielen, optimistisch: Um so wirksamer ist die Gegenwehr. Die uniweite Vollversammlung sollte in diesem Sinne eine Verbreiterung und Verknüpfung der Protestaktivitäten gegen Dräger und den Rechtssenat diskutieren. Dabei sein ist - nicht alles, sondern: das Mindeste. Denn wer ist schon gerne Knecht?

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Sonntag, den 12. Mai 2002, http://www.harte--zeiten.de/artikel_68.html