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Studentische Rede von Golnar Sepehrnia (FSR Geschichte)

bei der Feier zum 100jährigen Jubiläum des historischen Seminars am 11.12.2007

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,
meine Damen und Herren,

im Namen des Fachschaftsrates der Studierenden der Geschichtswissenschaft begrüße auch ich Sie und Euch zu dieser entspannten Zusammenkunft.
Wir wissen, daß es wenig Gegenwärtiges zu feiern gibt, außer der Möglichkeit, alles wieder besser zu machen.

Die Studiengebühren, die erzwungene Segmentierung des Lernens, der bleierne Mief der sogenannten Leistungsorientierung und des despotischen Managements - das ist alles Ausdruck einer geschäftsmäßigen Fremdbestimmung der Wissenschaften, die schon starr und mürbe ist, ehe sie wirklich durchgreift. Dennoch schadet sie: sehr persönlich und ganz allgemein ,,geschichtlich“.
Dafür gibt es - wie eben demonstriert wurde - verbale weiße Salbe, keine Korrekturen, sondern nur erneuerte Gehorsamsforderungen.

Würde aber dieser unmittelbarkeitsverhaftete Zeitgeist die Geschichtswissenschaft völlig dominieren, was hätten wir dann?
Eine Eventgeschichte, für voyeuristische Unterhaltung durch empathisch und medial nacherlebare Szenen des Vergangenen;
eine kommentierende Geschichtserzählung, die - von Plato bis Nato - Füllwerk in den Lehrplänen der spaltenden Zwei-Säulen-Schule ist;
und - wie durchschaubar - eine Geschichtsdeutung, die jede menschliche Erhebung gegen untragbare, gewaltsame Zustände (unter Vereinnahmung der so erreichten zivilisatorischen Fortschritte) zu einer Geschichte des Terrors und des Scheiterns erklärt, auf daß sich jeder in sein vermeintliches Schicksal auf unbestimmte Zeit ergebe. (Auch ein großes Hamburger Nachrichtenmagazin soll für derlei heutzutage ein interessierter Auftraggeber sein.)

In diese Spur sollten wir uns weder inhaltlich noch strukturell einpassen.
Nicht nur wissenschaftliche Unbotmäßigkeiten sind angebracht, haben Vorbilder und finden ,,Mittäter“.
- Worin liegt also die Alternative?

Im Lernen aus der Geschichte als menschlichem Handeln selbst: mit Entscheidungsoptionen, Fehlern, Irrungen, nötigen Kämpfen, erhebenden Erfolgen, vermeidbaren Kriegen, positiven Durchbrüchen und bisher vielfachem strukturellen, persönlichen und kollektiven Ungenügen.

Fritz Fischer hat die Machtübertragung und den Zweiten Weltkrieg als vermeidbare, aber logische Folge des Ersten Weltkriegs und seiner Vorgeschichte gezeichnet.
Was wären die positiven Schlußfolgerungen aus 1918 gewesen, die die Schlußfolgerungen aus 1945 hätten überflüssig machen können?
Wie sind die Erkenntnisse, Errungenschaften und humanistischen Maßstäbe der Antike, der Renaissance, der Aufklärung und der modernen progressiven sozialen Umwälzungen, auch die hoffnungsvollen Ansprüche infolge der Zäsur von 1945 - wie ist das menschliche Kulturerbe insgesamt - zu begreifen, um es perspektivisch zur Geltung zu bringen?

Welchen Beitrag leistet ,,Geschichte“ zur Orientierung gegen kulturelle Vereinfachung, gegen Verzweiflung und gegen das Elend der share-holder-value-Welt?
Ich meine, zur Überwindung einschränkender Bedingungen bedarf es der Rückgewinnung eines positiven Transformationsbegriffs. Eine Welt, die in so tiefer Unruhe ist - und ein Fachbereich, der so eindeutig von dieser Welt ist - hat dies dringend nötig.
In diesem Sinne wünschen wir uns - fast - allen eine streitbare, humorvolle und produktive Zusammenarbeit für unabsehbar lange Zeit.
Vielen Dank.

Veröffentlicht am Dienstag, den 11. Dezember 2007, http://www.harte--zeiten.de/dokument_677.html