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Kaum zu verbergende Ratlosigkeit
,,[...] V. Es gibt natürlich keine Gespenster. Immerhin ist es unheimlich, nachts auf einen Friedhof zu gehen oder allein in einem großen dunkeln Haus zu sein. (Mäuse.) [...]“
Kurt Tucholsky, ,,Die zehn Glaubenssätze der Bourgeoisie“, 1928.
Um die Universität ist es grundsätzlich zum Guten bestellt. Wie sonst ist zu verstehen, daß die Wahl der universitären Vertreterinnen und Vertreter für den privatwirtschaftlich dominierten Hochschulrat in geheimer Sitzung des Akademischen Senats am vergangenen Donnerstag in einer halben Stunde und ohne jede Diskussion abgehandelt wurde? (Die Ergebnisse und die Nominierungen seitens der Wissenschaftsbehörde sind noch nicht bekanntgegeben.) Wie sonst wäre erklärlich, daß bei dieser Gelegenheit die nächste reguläre Sitzung des höchsten allgemeinen (Wahl-)Gremiums der Universität abgeblasen wurde? Wir stellen also erfreut fest: Die Studiengebühren fördern das Lernen und die demokratische Entwicklung der Universität anstatt alles und jeden zur Ware zu degradieren; Bachelor und Master inklusive der strengen STiNE-Überwachung mehren nicht die Angst, sondern fördern solidarisch kritische Lernmotivation (Freude); die sozial bedrängende Unterfinanzierung des Lernens und der Bildungseinrichtungen ist überwunden; die Fakultätenbildung hat den kooperativen Zusammenhang und die Interdisziplinarität der Universität gestärkt und der grelle Kommerz aller Orten erhellt die Gemüter anstatt die Verwertungshetze zu verschärfen. So ist also auch unfraglich: Die Erde ist eine Scheibe.
Es geht auch klüger. Ein erfreuliches Beispiel gegen die neurotische Beschönigung schwer erträglicher Bedingungen, ist die kritische Selbstorganisierung der StudienanfängerInnen der Erziehungswissenschaft. In einer Resolution haben sie zum Ausdruck gebracht, daß die streng restriktive Segmentierung ihres Studiums durch ,,BA“ und ,,MA“ vernünftigen Ansprüchen an ihr Studium hart zuwider läuft: ,,Lernmotivation ist unter diesen Bedingungen nicht die Aneignung und Entwicklung von Erkenntnissen zur erweiterten Handlungsfähigkeit, sondern Angst: Angst vor nicht bestehen von Modulen, Angst vor Exmatrikulation, Angst vor »individuellem Scheitern«. Was aber sollen das für Pädagogen werden, die als Lernmotivation selber nur die Angst kennen lernen?“
In dieser profunden Kritik (vollständig nachzulesen unter http://www.fsr-erzwiss.de.vu) kommt die Möglichkeit einer konsequenzenreichen kritischen Sicht auf die Entwicklung der Universität bemerkenswert beispielhaft zum Ausdruck. Das gesteigerte solidarische Engagement gegen die politisch gewollte Unbill der verwertungskonformen Umstrukturierung der Universität ist der Beginn einer positiven Wendung. Der Gebührenboykott steht in demselben Zusammenhang.
Hiermit könnte und müßte sich der Akademische Senat im Sinne einer kollegialen Unterstützung der studentischen Aktivitäten und mit eigenen kritischen Impulsen auseinandersetzen. Die Wiedererlangung demokratischer Souveränität gegenüber einer neoliberal anordnenden Behörde und eines entsprechend doktrinären Hochschulrats ist eine weitere sinnvolle Aufgabe für dieses allgemeine universitäre (Wahl-)Organ. Kurz vor der Bürgerschaftswahl im Februar 2008 wäre zudem eine eigenständige Positionierung zu wirklich positiven Reformerfordernissen für die Hamburg Hochschulen angebracht.
,,»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe«.
– »Du mußt nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie.“
Franz Kafka, ,,Kleine Fabel“.
Courage ist Kooperation gegen strenge Konkurrenzgebote. Verstand ist an der Garderobe abzuholen. (An der nächsten Ecke: links.)