Gedenken
Die Arbeitsgruppe ,,11.000 Kinder“ ruft auf zum:
Weg der Erinnerung
(Kundgebung und Demonstration)
am Donnerstag, den 25. Oktober 2007
zum Gedenken der in den Jahren zwischen 1940 und 1945 in Güterzügen nach Osteuropa deportierten Juden, Roma und Sinti. Auftaktkundgebung: 16.00 Uhr an der Kreuzung Edmund-Siemers-Allee/Moorweidenstraße. ,,Weg der Erinnerung“: von der Moorweide über Meßberghof zum Lohseplatz (ehem. Hannoverscher Bahnhof).
"Weg der Erinnerung"
Mahn- und Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den Beginn der großen Deportationen jüdischer Menschen aus Hamburg am 25. Oktober 1941
25. Oktober 2007, 16.00 Uhr
Beginn: Platz der jüdischen Deportierten (Edmund-Siemers-Allee/Moorweidenstraße)
Demonstrationsroute
(1) Platz der jüdischen Deportierten - Moorweide
(2) Gänsemarkt (ca. 16.30 Uhr)
(3) Rathausmarkt (ca. 17.00Uhr) - Mönckebergstraße - Meßberghof (ehemals Sitz der Zyklon-B Hersteller Tesch & Stabenow) - Stockmeyerstraße
(4) Gedenkort Hannoverscher Bahnhof [Lohseplatz] (ca. 17.30 Uhr)
(1) Am Platz der Jüdischen Deportierten wird Steffi Wittenberg (81) an ihre Tanten Martha Markus und Emma Hinrichs sowie ihren Onkel Siegfried Marcus erinnern, die am 25. Oktober 1941 von Hamburg aus nach Litzmannstadt (Lodz) in den Tod deportiert wurden. Dann wird der Demonstrationszug den "Weg der Erinnerung" gehen. Während der gesamten Aktion werden die Namen der Deportierten vom 25. Oktober 1941 laut verlesen.
(2) Zwischenkundgebung auf dem Gänsemarkt mit einem Redebeitrag von Wolfgang Rose, Landesbezirksleiter ver.di Hamburg
(3) Bei der Kundgebung auf dem Rathausmarkt wird Esther Bejarano (82), Auschwitz-Überlebende und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V., über die Verantwortung der Reichsbahn sprechen.
(4) Am Gedenkort Hannoverscher Bahnhof wird der Generalsekretär der Rom und Cinti-Union e.V., Karl-Heinz Weiß an die Deportationen von über 1200 Sinti und Roma aus Hamburg und Norddeutschland erinnern.
Der Anlass
Am 6. Dezember 2006 organisierte die Hamburger Arbeitsgruppe "11.000 Kinder" vor dem Hamburger Hauptbahnhof eine viel beachtete Mahnaktion zum Gedenken an die Deportation von 756 Menschen nach Riga am 6. Dezember 1941. Die Arbeitsgruppe veranstaltet zum 25. Oktober 2007 eine weitere Mahn- und Gedenkaktion, um an die erste große Deportation jüdischer Menschen aus Hamburg im Herbst 1941 zu erinnern. Am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof wurden am 25. Oktober 1941 1.034 Menschen in einen Zug gepresst und nach Litzmannstadt (Lodz) deportiert. Nur 18 Menschen aus diesem Transport überlebten. Dieser Deportationszug war nur einer von vielen. Jüdische Menschen, Sinti und Roma, politische Gegner des Nazi-Regimes, so genannte "Asoziale", Behinderte und viele andere wurden so in die Vernichtungslager der NS-Tötungsmaschine verfrachtet. Von mindestens zwölf Hamburger Deportationsbahnhöfen - u. a. Bahnhof Sternschanze - wurden viele Tausend Menschen zwischen 1933 und 1945 in Versklavung, Ausbeutung, Folter und Tod geschleust. Die Hamburger Arbeitsgruppe "Deportationen/ 11.000 Kinder" will öffentlich bewusst machen, dass der Weg nach Auschwitz und zu den zahlreichen anderen Deportationszielen mitten in den Städten begann.
Hintergrund
Über drei Millionen Menschen aus ganz Europa schleuste die Deutsche Reichsbahn über ihr Schienennetz in die deutschen Vernichtungslager. Nach Schätzungen wurden über eine Million Kinder und Jugendliche in den Tod befördert. Die herausragende Bedeutung der Reichsbahn für das Gelingen des Massenmordes wird bis heute viel zu wenig beachtet. Ohne die unter Kriegsbedingungen aufrecht erhaltene Deportations-Logistik wäre der systematische Massenmord nicht durchführbar gewesen. Die Haupttäter wurden nie bestraft. Drei Jahre war die bundesweite Initiative "Elftausend Kinder" unermüdlich aktiv und hat die Erinnerung an die Deportationen an den Orten gefordert, von denen aus mehr als drei Millionen Menschen in die Gettos und Vernichtungslager deportiert wurden - auf deutschen Bahnhöfen. Vorbild war die Wanderausstellung 11.000 jüdische Kinder - mit der Reichsbahn in den Tod der Organisation Fils et Filles des Juifs Deportés de France von Beate und Serge Klarsfeld zur Erinnerung an das Schicksal von 11.000 deportierten französischen Kindern, die auf vielen Bahnhöfen der französischen Staatsbahn SNCF gezeigt wurde. Doch was in Frankreich selbstverständlich war, wurde zwei Jahre lang von der deutschen Bahn AG verweigert - und erst der öffentliche Protest vieler tausend Teilnehmer und das internationale Echo darauf haben das Ende des Gedenkverbots bewirkt. Am 27. Januar 2008 will die Bahn eine Ausstellung eröffnen, die auch Teile der französischen Ausstellung aufnehmen soll, konzipiert von der Bahn AG in Zusammenarbeit mit dem Centrum Judaicum, dem Deutschen Technikmuseum, dem DB Museum und dem Ehepaar Klarsfeld. Details sind noch nicht bekannt.
Zitate
Esther Bejarano (82), Auschwitz-Überlebende und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V.: "Viele tausende unschuldige Menschen wurden mit der Bahn in Ghettos, Konzentrationslager, Vernichtungslager oder zur kaltblütigen Erschießung nach Polen oder Lettland verbracht. Männer, Frauen und Kinder wurden mit der Bahn in die Gaskammern gefahren. Die Deutsche Reichsbahn trägt eine große Schuld mit sich herum."
Moritz Terfloth (39), Historiker und Mitglied des Vorstands des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V.: "Mit der Erinnerung an die mörderischen Verbrechen Nazi-Deutschlands verbinden sich heute vor allem scheinbar fern liegende Orte wie ,Auschwitz'. Kaum jemand will sich damit befassen, dass der Ausgangspunkt dieser Verbrechen hier vor unseren Haustüren lag. Wenn es die Möglichkeit gibt, wie im Falle des Gedenkortes Hannoverscher Bahnhof, im Rahmen einer großen städtebaulichen Umgestaltung auf die Geschichte und Bedeutung eines Deportationsbahnhofes hinzuweisen, muss diese Möglichkeit ernsthaft genutzt werden. Dieser Ort muss mitten in der Stadt Hamburg ein weithin sichtbares Zeichen gegen das Vergessen setzen."
Marut G. Perle (48), Historiker Deportationsbahnhöfe: "Der citynahe ehemalige Hannoversche Bahnhof war der größte und zentrale Deportationsbahnhof des Hamburger Stadtgebietes. Im Vergleich zu der bekannten Bedeutung der Gestapo, der Ordnungspolizei und der Finanzverwaltung wird die Rolle der Reichsbahndirektion Hamburg für die regionale und städtische Deportationslogistik nicht wahrgenommen. Am Ende der Abfolge logistischer Maßnahmen zur Verschleppung tausender Menschen stand die Abfahrt des Deportationszuges aus dem Bahnhof. Der Hannoversche Bahnhof steht also symbolisch für den Endpunkt der behördlichen und polizeilichen Maßnahmen zur lokalen Beseitigung der bürgerlichen Existenz vieler Menschen. Er steht aber zugleich auch als Ausgangspunkt symbolisch für den Weg in die physische Vernichtung."
Forderungen
Die Opfer der Deportationen und ihre Leiden dürfen nicht vergessen werden!
Wir fordern:
– a. das angemessene Gedenken an alle Opfer der Deportationen
– b. die würdige und informative Gestaltung des Hamburger Gedenkortes ehemaliger Hannoverscher Bahnhof [Lohseplatz]
– c. eine umfangreiche und vollständige Ausstellung über die Geschichte der Deportationen aus Hamburg
– d. ein erkennbares Mahnmal innerhalb des Hamburger Hauptbahnhofs
– e. die Einbeziehung der Initiativen und Opferverbände in Planung und Gestaltung der Ausstellungen und Gedenkorte