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Wie aus einer Mücke kein rosa Elefant wird

Oder: Eine abgehobene Debatte über krasse Armut

"Es gibt die Möglichkeit, Konstruktionsfehler der Schröder-Reformen zu beseitigen. Wir sollten sie nutzen. Das ist wichtig für ein faires Sozialsystem. Es ist notwendig für das Vertrauen der Deutschen in ihren Staat."
Jürgen Rüttgers (CDU), NRW-Ministerpräsident, in der FAZ vom 15.10.2007

Das Mißtrauen kann nie groß genug sein, wenn ein CDU-Mann meint, sich 1. in einen sozialdemokratischen Linienstreit einbringen zu können und 2. vom erforderlichen Vertrauen der Deutschen in ihren Staat schwadroniert.
Der aktuelle Streit zwischen den SPD-Häuptlingen bezieht sich auf das Sture beibehalten der sozial zerstörenden und entwürdigenden Agenda 2010 ("Münte"). Dem hält der pfälzer Aufsteiger (Beck) eine gönnerhafte Minimalmodifikation (Erhöhung des ALG II für ältere Arbeitnehmer auf ein Niveau, das bis 2003 auch als unverschämt niedrig gegolten hätte) entgegen. Hinter dieser Kontroverse ist die Panik angesichts einer wachsenden linken Opposition, Massenaustritten und Zustimmungsschwund, schlecht verborgen. Auch machen sich massenhaftes sozialen Elend sowie wachsende außerparlamentarische Bewegungen und gewerkschaftliche Kämpfe als gesellschaftliche Tatsachen bemerkbar.

Ein Rat von der launig-rassistischen Rechten ("Kinder statt Inder", Rüttgers im NRW-Wahlkampf 2000) wird jedenfalls nicht helfen. Für die ist nämlich die soziale Bedrängung der Bevölkerung noch nie ein relevantes Problem gewesen. Interessiert ist sie daran, daß der arbeitsfaule, dumme und unbescheidene Mob nicht in die roten Klauen der "Linken" gerät und außerdem wird zugestanden, daß Ruhe und Ordnung an der Heimatfront auch Brot und Spiele erfordern. Humanes ist den Konservativen eher fremd.

Die peinliche Debatte ist eine Folge des Kotaus der SPD-Spitze vor dem globalen Kapitalismus. Familie, Sicherheit, "Freiheit" und individueller Aufstieg sind eine blöde Mixtur aus konservativen und liberalen Werten, die regierungspolitisch an die Stelle des Sozialen, des Friedens und der solidarischen Emanzipation gesetzt wurden.

Gegen dieses großkoalitionäre Desaster hilft ein klarer Blick für die soziale Wirklichkeit: Nicht ein paar Euro Arbeitslosengeld mehr oder weniger entscheiden über das allgemeine Wohlergehen, denn es gibt weiterhin Oben und Unten, Reich und Arm, Kapital und Arbeit. Dieser Gegensatz ist ursächlich für die großen Übel der heutigen Welt. Die Erneuerung dieser gesellschaftlich Einsicht enthält die Perspektive einer wesentlich besseren Gesellschaft. Je mehr die grundlegende Gemeinsamkeit der aller meisten gegenüber einer kleinen Minderheit erkannt wird (weltweit 1000 Multimilliardäre verfügen derzeit über etwa das Doppelte des von Milliarden Menschen erarbeiten jährlichen Weltsozialprodukts), desto mehr liegen vernünftige Forderungen, gemeinschaftliche Handlungsweise, neue Perspektiven gewissermaßen auf der Straße.
Auf die CDU kann jedenfalls verzichtet werden.
Die Sozialdemokratie hat vor allem ein reiches historisches Erbe, das programmatischer und praktischer Erneuerung bedarf.
Am meisten positiv entscheidend ist aber das eigene solidarische Eingreifen.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 16. Oktober 2007, http://www.harte--zeiten.de/artikel_636.html