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Studiengebührenpläne in Hamburg
Langzeitstudiengebühren
Die Pläne von Wissenschaftssenator Dräger, "Langzeitstudiengebühren"
und Studienkontenmodelle einzuführen,
richten sich nicht vor allem gegen soziale
Gleichstellung, sondern gegen emanzipative Bildungsinhalte.
Sogenannte Langzeitstudiengebühren von 500
Euro pro Semester sollen ab 2004 von allen erhoben
werden, die mehr als 14 Semester studiert haben. Egal,
ob man jobben musste, um seinen Lebensunterhalt zu
finanzieren und deshalb kaum zum studieren kam. Auch
egal, dass die Seminare manchmal so voll sind oder die
Betreuung so schlecht, dass man Veranstaltungen wiederholen
muss oder erst gar nicht in sie rein kommt.
Aber selbst wenn es "Härtefallregelungen" für diese Fälle
gäbe, bliebe die Frage: Was spricht dagegen, erwachsene
Menschen selbst bestimmen zu lassen, was für sie
richtig und notwendig ist? Langzeitstudiengebühren sind
sehr offensichtlich eine modernisierte Peitsche, die Menschen
gefügig machen soll.
Studienkonten
Weil dies so offenbar ist, bevorzugen neoliberale
Hochschulpolitiker eine scheinbar liberale Variante der
Studiengebühr. Studienkonten, also die befristete, aber
selbst einteilbare gebührenfreie Studienzeit, sollen den
Eindruck vermitteln, man habe selbst Verfügung über die
Gestaltung seines Studiums. Tatsächlich kann man nur
bestimmen, wann man studiert, jedoch bleibt das Problem,
nur das kostenfrei studieren zu können, was erwünscht
ist. Erst recht ist damit nicht gewährleistet, dass
man Studieninhalte und -formen mitbestimmen kann.
Bildungsgutscheine und Wohnortsprinzip
Bei Bildungsgutscheinen - dem von Uni-Päsident
Lüthje favorisierten Modell - wird davon ausgegangen,
dass grundsätzlich jedes Studium Geld kostet. Mit Gutscheinen
bekommt man davon einen bestimmten Anteil
umsonst (siehe Studienkonten). Wenn Mutti oder Omi
einen ordentlichen "Bildungssparvertrag" gemacht
haben, dann kann man sich auch mehr erkaufen. Im
Kern geht es darum, dass erstens wiederum nur das
nötigste gelernt wird und zweitens die einzelnen und
nicht die Gesellschaft sich für Bildungsmöglichkeiten
verantwortlich sehen. Die Studierenden sollen sich als
Kunden der Universität verstehen, die bestimmte Bildungsangebote
kaufen und andere nicht. Diese Konsumenten-"
Freiheit" soll an die Stelle der demokratischen
Beteiligung der Studierenden an der Hochschulorganisation
treten.
Eine verschärfte Form dessen
steht auf Lüthjes Vorschlag
in Drägers HochschulModernisierungsGesetz,
das im November
in der Bürgerschaft
beraten werden soll: Menschen,
die nicht in Hamburg
gemeldet sind, sollen keine
Gutscheine erhalten (also
grundsätzlich 500 Euro/Semester
blechen). Begründung: Sie
zahlen hier keine Steuern, sollen
also anders ihren Beitrag
zur Hochschulfinanzierung leisten.
Hiesige Opposition und die Bundesregierung
haben, vermutlich mit Recht, (verfassungs-) rechtliche
Bedenken angemeldet.
Bildungsgutscheine wären ein entscheidender Paradigmenwechsel.
Mit ihnen würde das sozialstaatliche
Solidarprinzip (alle tragen vermittels Steuern zu Gunsten
der sozial Benachteiligten etwas zur "Wohlfahrt" aller bei)
ausgehöhlt. An seine Stelle tritt sogenannte Eigenverantwortlichkeit.
Dabei werden soziale, familiäre, gesundheitliche
und kulturelle Unterschiede, die objektiv die
Entfaltungsmöglichkeiten der Einzelnen einschränken
oder erhöhen, nicht berücksichtigt. Behauptet wird, es
steige die individuelle Freiheit, weil die staatliche Regulierung
sinke. Tatsächlich wird individuelle Freiheit damit
eingeschränkt, weil die sozialstaatlich organisierte Freiheit
von Not als Vorraussetzung der freien Entfaltung
aller beseitigt wird.
Gesellschaftlicher Protest ist erforderlich
Kostenlose Bildung für alle ist eine soziale Errungenschaft,
die genauso von Gewerkschaften und außerparlamentarischen
Bewegungen
über Jahrzehnte erkämpft
wurde, wie z.B. öffentliche Gesundheitsversorgung,
Arbeitnehmerrechte
oder öffentliche
Altersvorsorge. Der Hamburger
Senat aus Schill, CDU und
FDP ist für die Total-Abwicklung
solcher Errungenschaften
angetreten. Ziel seiner neoliberalen
Politik ist die Entfesselung
des Marktes. So sollen
Profite steigen - dass die
Lebensbedingungen aller
Menschen sich dabei verschlechtern,
gilt höchstens bei
den Wahlen als Problem.
Nur wenn wir diesen gesellschaftlichen Zusammenhang
in unseren Protesten gegen die Abwicklung der
Demokratischen Massenuniversität im Blick haben und
in entsprechenden gesellschaftlichen Bündnissen den
Widerstand gegen die gesamte Senatspolitik organisieren,
können wir damit erfolgreich sein.
Info:
Aktionsbündnis gegen Studiengebühren ABS:
www.asta.tu-darmstadt.de/abs/
juso-hochschulgruppen bundesverband:
www.juso-hochschulgruppen.de/themen/studiengebuehren/1499.html
Sturm, Richard u. Wohlfahrt, Gerhard:
Umverteilungswirkungen der öffentlichen Hochschulfinanzierung in DeutschlandGutachten
im Auftrag des Deutschenstudentenwerkes, Graz 2002.