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"Maulkorb": Würde? Solidarität!

"Die Hauptlenkerin, die uns bei der Standeswahl leiten muß, ist das Wohl der Menschheit, unsere eigne Vollendung. Man wähne nicht, diese beiden Interessen könnten sich feindlich bekämpfen, das eine müsse das andre vernichten, sondern die Natur des Menschen ist so eingerichtet, daß seine Vervollkommnung nur erreichen kann, wenn er für die Vollendung, für das Wohl seiner Mitwelt wirkt.
Wenn er nur für sich selber schafft, kann er wohl ein berühmter Gelehrter, ein großer Weiser, ein ausgezeichneter Dichter, aber nie ein vollendeter, wahrhaft großer Mensch sein."

Karl Marx, "Betrachtungen eines Jünglings bei der Wahl eines Berufes", (Abiturarbeit - Deutscher Aufsatz), August 1835.

Einzig rundum sinnvoll ist ein soziales Dasein ohne Einschränkung der Nützlichkeit des Menschen für den Menschen. Hingegen: Wenn die gewinndominierte Verwertung das Maß aller Dinge ist, ist die Würde des Menschen hart angetastet. Das wahrhaft menschliche Leben ist keine Ware.

Das läßt sich auch aus der brutalen deutschen Geschichte vor 1945 lernen. Deshalb wurde "Die Würden des Menschen ist unantastbar" die richtungsweisende, erste Norm des Grundgesetzes. Die Freiheit der persönlichen Entfaltung, der Meinungsbildung und -äußerung sowie der Wissenschaften und der Künste sind ebenso verbindliche Lehren (Art. 2 und 5 GG). Beabsichtigt ist damit die mündige Partizipation aller an den gesellschaftlichen Verbesserungsaufgaben. Für die Hochschulen bedeutet das die Freiheit von der partikularen Interessendurchsetzung durch private Ökonomie und autoritären Staat. Der CDU-Senat und die konservative Uni-Präsidentin, Frau Auweter-Kurtz, haben zu diesen humanen Ansprüchen ein eher laxes Verhältnis.

Sie betreiben zum Schaden aller die neoliberale Deform der Hochschulen, die seit Jahren von den Interessenvertretungen internationaler Großkonzerne (z.B. Bertelsmannstiftung oder Handelskammer) ideologisch forciert wird. Der politisch gewollte Verkaufsdruck auf die Universität entfernt die Wissenschaften von allgemeinwohlorientiertem Erkenntnisgewinn. Die konkurrenzsteigernde Unterfinanzierung, Personalmangel, Demokratieabbau, (geplante) Studiengebühren, Leistungsdruck und normierende BA/MA-Studiengänge machen die Lern- und Arbeitsbedingungen schwer erträglich. In allen Gruppen der Universitätsmitgliedschaft häufen sich schwere Erkrankungen; tausende Studierende wissen sich ohne psychologische Beratung nicht zu helfen. "Würde"?

Diese dringend änderungsbedürftige Wirklichkeit steht in krassem Widerspruch zu praktischen Erkenntnissen, Erfahrungen und materiellen Möglichkeiten einer humanen Entwicklung von Wissenschaft und Bildung für die Gesellschaft: Eine gesellschaftskritische Wissenschaftsentwicklung, die erneute soziale Öffnung und Demokratisierung der Hochschulen, Studienreform "von unten", die kooperative Einheit von Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung (die Universität als Republik) und ausreichend öffentliche Mittel sind notwendig. Das Engagement für einen politischen und kulturellen Richtungswechsel muß weiterentwickelt werden.

Mit einem "Maulkorberlaß" in Bezug auf die hochschulpolitische Entwicklung wollte die Präsidentin das öffentliche, kritische Eingreifen von Beschäftigten der Universität unterbinden. Sie versuchte, ihre Überforderung mit der Krise der Universität zu verschleiern und die menschenverachtenden Politik des CDU-Senats zu verteidigen. Beides wurde damit nur noch deutlicher. Die Maßnahme selbst ist verfassungswidrig und stößt wirkungsvoll auf Protest. Die Präsidentin versucht auch, kritische Meinungsäußerungen im Akademischen Senat vermittels einer Geschäftsordnungsänderung (Ordnungsrufe, Entzug des Rederechts und Ausschluß von sogenannten "Störern") unterbinden zu lassen; dies bleibt noch zurück zu weisen. (s. Kasten)

Wer den Kaiser (oder die Kaiserin) mimen will, sollte ausgelacht und kritisiert werden, sich eines Besseren besinnen oder von verantwortungsvollen Aufgaben zurücktreten. Autoritär ist weder "groß", noch stark, noch würdig, noch vernunftvoll menschlich. Kritische Analyse und humanistische Orientierung sowie demokratische Kooperation bilden das heitere Gegenteil. So wird Würde gebildet.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Montag, den 14. Mai 2007, http://www.harte--zeiten.de/artikel_590.html