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Zum Geleit XXXI

Übergenug
oder
Die Konsequenz des Denkens

DOKUMENTIERT: Zum Geleit XXXI, Hamburg, den 15. März 2007, zur Sitzung des Akademischen Senats am 22. März 2007, die von der Präsidentin eigenmächtig abgesagt wurde
(Zum Geleit: regelmäßige Thesen zu aktuellen Themen von den linken Studierenden an die AS-Mitglieder)

1) "Verhunzung"

"Die griechische Sage erzählt von einem König Midas, der alles, was er berührte, in Gold verwandelte. Daß es eine Berührung gibt, die alles, auch das Edelste, augenblicklich in Dreck verwandelt, das erleben wir heute: es ist der Nationalsozialismus, dem diese edle Gabe zuteil wurde. Alle Gedanken der Zeit, geboren aus Geist- und Zukunftswilligkeit, aus dem Wunsche nach Vervollkommnung des gesellschaftlichen Lebens, alles Gute und Wohlgemeinte reißt er an sich, stiehlt es, verbiegt, verdreht, verdirbt und verschmutzt es, verleiht ihm widerliche Mißgestalt, einen Geruch von Ekel und Hölle-, alles, was er anfaßt - und er faßt alles an, - wird unweigerlich in seinen Händen zu Kot und Unflat."
Thomas Mann, "Deutsche Hörer!", August 1942.

Reformen? Freiheit? Gerechtigkeit? Demokratie? Vernunft?
Wir leben in erheblich anderen Zeiten, als jenen einmalig barbarischen Zeitläuften - deren Wiederholung, auch im Kleinsten, umfassend zu hindern ist -, zu denen der engagierte Autor die trefflich scharfen Worte fand. Gleichwohl ist aus historischer Barbarei und kluger Gegenwehr aktuell und perspektivbildend zu lernen, daß mehr oder minder harte geistige Verdrehungen die Boten des Elends sind.
"Führung" ist nicht Demokratie. Krieg ist nicht Frieden.
Not ist nicht natürlich, sondern zu wenden.

2) Wille, Richtung und Tat

"Verstand ich den Vorgang recht, so unterlag dieser Herr der Negativität seiner Kampfposition. Wahrscheinlich kann man vom Nichtwollen seelisch nicht leben; eine Sache nicht tun wollen und überhaupt nicht mehr wollen, also das Geforderte dennoch tun, das liegt vielleicht zu benachbart, als daß nicht die Freiheitsidee dazwischen ins Gedränge geraten müßte, und in dieser Richtung bewegten sich denn auch die Zureden, die der Cavaliere zwischen Peitschenhiebe und Befehle einflocht, indem er Einwirkungen, die sein Geheimnis waren, mit verwirrend psychologischen mischte. >Balla!< sagte er. >Wer wird sich so quälen? Nennst du es Freiheit - diese Vergewaltigung deiner selbst? Una ballatina! Es reißt dir ja an allen Gliedern. Wie gut wird es sein, ihnen endlich den Willen zu lassen! Da, du tanzest ja schon! Das ist kein Kampf mehr, das ist bereits das Vergnügen!<"
Thomas Mann, "Mario und der Zauberer", 1930.

Wer hat den Willen zu gehorchen?
Wer sich umdreht oder lacht, bekommt den Buhmann gemacht.
Gute Ideen helfen sehr, sich nur unwesentlich zu erschrecken.
Wer ohne Ausnahme Verschlechterungen nicht will, muß für Verbesserungen wirken, da sich sonst die gute Idee der schlechten Wirklichkeit beugt - und der Mensch beugt sich gleich mit.
Das ist eine unbekömmliche Haltung.

3) Vergegenwärtigung

"Erbarmen wir uns der Kultur, aber erbarmen wir uns zuerst der Menschen! Die Kultur ist gerettet, wenn die Menschen gerettet sind. Lassen wir uns nicht zu der Behauptung fortreißen, die Menschen seien für die Kultur da, nicht die Kultur für die Menschen!"
Bertolt Brecht, Rede auf dem I. Internationalen Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur, Juni 1935.

Wer seine Arbeit um der Arbeit willen macht
oder: weil man das eben gerade so tut
oder: es in der Zeitung steht
oder: der Nachbar schief guckt
oder: er sich für stark im Leiden hält,
der hat sich drangegeben und vergessen.

4) Richtung

"Es laufen Gerüchte ohne jede Bedeutung hin und her zwischen den Menschen, die man Zivilbevölkerung nennt."
Arnold Zweig, "Der Streit um den Sergeanten Grischa", 1927.

Es geht die Kunde, der rechte Senat sei nicht mehr erträglich.
Wir wollen dem Gerücht nachgehen.

Flugblatt: Der Weg der Universität - Woher kommt eigentlich die Hoffnung?

Veröffentlicht am Montag, den 2. April 2007, http://www.harte--zeiten.de/dokument_567.html