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Du. Dienen. Deutschland.

Oder: Leben beginnt mit "Nein"

"Die Ausbildungszeiten in Deutschland sind zu lang. [...] Das ist ein gravierendes Problem, welches auch zu lösen ist, wenn Deutschland wieder Kinderreich werden soll. Die biologische Uhr der Frauen tickt zunehmend schneller, wenn sie die Dreißig überschritten haben und nach langer Ausbildung erst mit dem Beruf starten. Deshalb ist es wichtig, früh in den Beruf zu kommen."
Bundesbildungsministerin Annette Schavan, in: FAZ am Sonntag, 11. März 2007.

"Eine Katze, die eine Maus tötet, ist grausam. Ein Wilder, der seinen Feind auffrißt, ist grausam. Aber das grausamste von allen Lebewesen ist eine patriotische Frau."
Kurt Tucholsky, "Schnipsel", 1932.

Sie nennt sich Ministerin für "Forschung" und "Bildung". Ihre vermeintlich vorhandene "biologische Uhr" hätte schon mehrfach überdreht. Vielleicht versucht sie deshalb die Verlängerung der politisch-kulturellen Katastrophe der Fünfziger Jahre (Verdrängt, vergessen - heissassa, rumm-tata!) in die Gegenwart: Kinder, Küche und Karriere. Für Deutschland. Männlein wie Weiblein. Und zwar zackig.
Hier wird höchstens versuchsweise der Eindruck erweckt, es ginge um sogenannte Gleichstellung. Eigentlich geht es darum: Das Studium hat kurz zu sein, denn Familie und Arbeitsmarkt warten; alles andere ist Alt-68er-Geschwafel. So ist das hochintelligente FAZ- Interview von Frau Schavan wohl ausreichend zusammengefaßt.
Tatsächlich ist die Ideologie der Schneller-ist-besser-Studiengänge (BA/MA) kaum besser auf den Punkt zu bringen. Der Inhalt sei: Dienen. Das Ziel: Dienen.
Verstand und Herz sind bitte an der Garderobe abzugeben.
Als Legitimation dient hinterhältig der sogenannte demografische Faktor, der in Wirklichkeit ein demagogischer Faktor ist. Die Deutschen, heißt es, könnten in naher Zukunft mangels Nachwuchs ihre Alten nicht mehr ernähren.
Das ist Käse. Die Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit hat dank technischen und intellektuellen Fortschritts seit 1950 um 500 Prozent zugenommen. Sie steigt künftig weiter. Das heißt, sowohl quantitativ als auch qualitativ reicht die Arbeit Weniger, um Vielen ein gedeihliches Lebens zu ermöglichen. Auch Arbeitszeitverkürzung und Lohnsteigerungen sind dabei drin. Zudem sollte Arbeit demokratisch organisiert, inhaltlich vernünftig und für alle vorhanden sein.
Das einzige Hindernis: Die Chefs der gewinngroßen Unternehmen wollen so gar nicht von der Steigerung der Gewinne lassen. Das wäre durch solidarische Kämpfe zu ändern, dann gäbe es - mindestens - höhere Löhne und bessere öffentliche Leistungen.
Um von dieser Möglichkeit abzulenken, sollen wir alle "Deutschland" sein. Damit seien wir gleich. Und außerdem müssen wir Angst vorm Aussterben haben. Es ist so plump! Und es ist "Wissenschaftspolitik".
Bildung und Forschung, das ist sinnvoller Weise die kritische und kooperative Aneignung sozialer Zusammenhänge, geschichtlicher Erkenntnisse und der gesellschaftlichen Grundlagen des menschlichen Lebens. Der Inhalt und Zweck: Besserungen für alle. Aufklärung und Mündigkeit für ein wirklich demokratisches Gemeinwesen und - nicht zu letzt - die Freude an der bewußten gemeinsamen Gestaltung der eigenen Lebenswelt.

"Kinder, Küche und Karriere" sind dagegen eine alltäglich massenhaft propagierte, aber schwer bescheidene Alternative. BA/MA und Gebühren sind in diesem Sinne Zuchtmittel.

Wer mehr vom Leben will, muß Nein sagen.
Auch der Boykott der Gebühren schafft eine befreiende Perspektive.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 13. März 2007, http://www.harte--zeiten.de/artikel_554.html