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Wider die "Zwei-Säulen"-Gesellschaft

Die CDU-Bildungspolitik verlängert das Übel

"Was diesen Aufschwung von früheren Wachstumsphasen unterscheidet, ist das fehlende Zutrauen der Mehrheit, an dieser Entwicklung teilhaben zu können, sei es in Form von Beschäftigungschancen und einer höheren Sicherheit der bestehenden Arbeitsplätze, sei es durch deutliche Lohn- und Gehaltserhöhungen. Ganze 5 Prozent der Bevölkerung, 8 Prozent der Berufstätigen, ziehen zurzeit die Bilanz, dass sie erheblich von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung profitieren; 32 Prozent sehen zumindest begrenzte Auswirkungen auf ihre persönliche Lage (Grafik). Die Mehrheit, 59 Prozent der Bevölkerung und 52 Prozent der Berufstätigen, kann nicht erkennen, dass der Aufschwung auch bei ihr ankommt."
Renate Köcher (Allensbach-Institut), "Der selektive Aufschwung", FAZ, 21.02.2007.

Jüngst beschloß die CDU-Hamburg auf einem kleinen Parteitag die Umstellung des dreigliedrigen Schulsystems auf ein "Zwei-Säulen-Modell". Demnach soll das Abitur nach 12 Jahren weiterhin in Gymnasien möglich sein; alle anderen Schulen seien zu "Stadtteilschulen" zusammenzuführen. Die Parteirechte der Hamburger SPD ist bereit das mitzumachen - für eine mögliche Regierungsbeteiligung ab 2008. Mit dem "Zwei-Säulen-Modell" wird vordergründig versprochen, den engen Zusammenhang zwischen benachteiligter sozialer Lage und niedrigem Bildungsniveau entgegenzuwirken.

Dazu sei zunächst gesagt: Soziale Ungleichheit ist auch dann noch ein Problem, wenn sie erst nach der Schule oder Universität manifest wird. Der CDU geht's aber nicht mal um "Chancengleichheit" beim Bildungszugang. Vielmehr soll angesichts verstärkter Kritik an der sozialen Selektivität des Bildungssystems, die Teilung der Bevölkerung in eine niedrig qualifizierte Mehrheit und eine höher qualifizierte Minderheit verschleiert und verlängert werden. Inhaltlich beabsichtigt ist - wie mit den universitär selektiven BA/MA-Studien - nach kurzfristigen Anforderungen der Arbeit-"geber" eine "Masse" austauschbarer Arbeitskräfte und eine "Elite" abstiegsängstlicher "Intelligenzbestien" zu züchten. Beide Gruppen sollen - artig "jeder an seinem Platz" - dem "Standort", also fremdgesetzten wirtschaftlichen Interessen dienen. Zur Verteidigung des "Gymnasiums" gegen "Eine Schule für alle", wie sie etwa in Skandinavien gängig ist, werden die sozialen Ängste einer verunsicherten "Mittelschicht" propagandistisch genutzt. Mit dem illusionären Versprechen "Aufstieg für alle" ist Entsolidarisierung das Programm.

Diese Absicht stößt aber auf enorme Widersprüche: Trotz einer historisch einmaligen Produktivität, die gleich mehrfach die soziale Wohlfahrt der Weltgesellschaft ermöglicht, prägen soziale Armut, Krieg und Gewalt gegenwärtig Welt, Land und Stadt.

Außerparlamentarische Opposition zu dieser Entwicklung hat hier ihren materiellen Ausgangspunkt.

Die CDU dagegen ist schon seit Konrad Adenauer als Funktionspartei der deutschen Unternehmerschaft und für modernisiertes Untertanentum bekannt. ("Deutschland. Erfolgreich. Machen.") Entsprechend ist ihr die Perspektive einer sozial egalitären Gesellschaft und der vollen demokratischen Gestaltung aller Lebensbereiche ein Greuel. Dies ist aber genau Inhalt und Ziel wirklich fortschrittlicher Bildungspolitik.

Humanistische Bildung fordert jeden zu kritischer gesellschaftliche Integration heraus, also zum Wirken für die Verbesserung der eigenen Lebensbedingungen. Geschichte, Kunst und Literatur, das wissenschaftliche und schöpferischen Schaffen der Menschheit sowie soziale Vorbilder bergen den Reichtum, aus dem für heute zu lernen ist. Zur Mündigkeit führt nur das solidarische Lernen. Aufklärung ist mutige Einsicht und materiell wirksame Verbreitung der Wahrheit. Dafür zählt die Kritik an den sozialen Hemmnissen, kulturellen Barrieren, isolierender Leistungshetze und Gaukelbildern eines kommerzialisierten Alltags. An die Stelle getriebenen Lesen-Schreiben-Rechnen-Beugens tritt dann motiviertes Lernen. Die progressive Verallgemeinerung der eigenen Person ist allen Menschen möglich. Die ganze Gesellschaft, darin die Institutionen der Bildung und Wissenschaft von der Vorschule bis zum Seniorstudium, muß nach diesem Bild entwickelt werden. "Eine Schule für Alle" ist dafür genauso unverzichtbar wie beispielsweise Gebührenfreiheit aller Bildungsgänge und eine demokratische Studienreform wider die inhaltliche und soziale Selektivität von BA/MA. Wer soll verzichten? Lernen heißt Leben! -

Die volle Entfaltung der Persönlichkeit beginnt erst in der sozial befreiten Kooperation Aller.

Die Priester des individuellen Aufstiegs huldigen den Herrschenden und predigen Bescheidenheit.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 27. Februar 2007, http://www.harte--zeiten.de/artikel_552.html